Raus aus Afghanistan?

BUNDESWEHR Deutsche Politiker wollen keinen schnelleren Abzug

BERLIN taz | Deutsche Politiker sehen nach dem Tod Osama bin Ladens kaum unmittelbare Konsequenzen für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Der Forderung des grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, den Krieg jetzt zu beenden, widersprechen neben Vertretern der Regierung auch Oppositionspolitiker und Parteifreunde.

„Der Grund für den Beginn des Krieges hat sich mit dem Tod bin Ladens erledigt“, sagte Ströbele der taz. „Deshalb muss man jetzt den Krieg beenden.“ Alle Hauptverantwortlichen der Terroranschläge vom 11. September 2001 seien tot oder säßen in Guantánamo. Bin Laden sei der Letzte gewesen, der nicht gefasst war, das Ziel des Einsatzes sei also erreicht. Zwar könne man sich nicht sofort komplett zurückziehen, müsse aber schnell Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit den Aufständischen führen und „alle Offensivmaßnahmen beenden“. Um zu zeigen, dass man es ernst meine, „kann jetzt mit dem Abzug begonnen werden“.

Omid Nouripour, verteidigungspolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, warnt dagegen, jetzt vorschnell Konsequenzen zu ziehen. „Die Bundeswehr sowie die Bündnispartner können jetzt kurzfristig Ziel von Racheakten werden, ebenso wie die Zivilisten in Afghanistan“, sagte er der taz. Zudem sei die Jagd auf bin Laden von Beginn an eine rein amerikanische Angelegenheit gewesen. Er sieht dennoch mittelbare Auswirkungen auf den Afghanistan-Einsatz. „Der Fokus der Amerikaner auf Afghanistan wird jetzt kleiner, die Abzugsperspektive dadurch deutlich realer.“

Ähnlich argumentiert SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. „Nachdem die Terrororganisation ihren führenden Kopf verloren hat, wird die geplante Beendigung des Einsatzes realistischer“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Ein Rückzug bis 2014, wie von den USA angepeilt, halte er für machbar. SPD-Verteidigungsexperte Gernot Erler sagte der taz, der Tod bin Ladens schwäche zwar al-Qaida, „an den Aufgaben der Bundeswehr in Afghanistan ändert das aber gar nichts“.

Auch der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder, sagte der taz, aus dem Tod bin Ladens ergäben sich keine unmittelbaren Konsequenzen, „zumal sich die Ziele des Einsatzes seit 2001 verändert haben“. Rainer Stinner, außenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, sagte, er halte Diskussionen über einen schnelleren Abzug für „spekulativ und gefährlich“. Es sei noch nicht abzusehen, welche Konsequenzen der Tod bin Ladens für al-Qaida oder die Taliban haben würden.

Bereits am Montag hatte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) erklärt, der Einsatz sei unverändert notwendig. Man sei nicht dort, um einen Mann zu bekämpfen, sondern „weil wir verhindern wollen, dass Afghanistan wieder ein Rückzugsgebiet für den Terrorismus auf der ganzen Welt wird“. PAUL WRUSCH