Singende Historiker

COUNTRY Kurt Wagner hat mit „Lambchop“ selbst Musikgeschichte geschrieben. Gemeinsam mit der Sängerin Cortney Tidwell hat er nun für das gemeinsame Projekt „Kort“ die Archive Nashvilles durchstöbert

Ein Gespür für die Geschichte der „Music City“ bringen beide von Haus aus mit

VON ROBERT MATTHIES

Zwischen Unmengen von alten Platten fühlen sich beide zu Hause. Kurt Wagner beginnt seine Verwandlung vom Parkettverleger zur Ikone der Nashviller Musikszene Mitte der 80er im Plattenladen seiner Frau, wo er gemeinsam mit einer Handvoll ehemaliger Highschool-Freunde den musikalischen Apéritif für die abendlichen Konzerte reicht. Cortney Tidwell – damals gerade erst Teenager geworden – wird hingegen von Beginn an zwischen lauter Vinyl groß: Ihr Großvater Slim Williamson besaß gleich mehrere Plattenfirmen, darunter mit Chart Records das erfolgreichste unabhängige Country-Label der 60er und 70er, ihr Vater ist Plattenproduzent und A&R und ihre Mutter Connie Eaton wurde in den 70ern sogar mal als „Most Promising Female Vocalist“ gehandelt.

Ein feines Gespür für die Schall-Geschichte der „Music City“ bringen beide also von Haus aus mit. Zumal Kurt Wagner mit seiner Band Lambchop selbst schon ein beeindruckendes Stück Musikgeschichte geschrieben hat: Der Internet-Musikwegweiser Allmusic feiert die bis zu vierzehnköpfige Band um den Mann mit der samtenen Stimme immerhin als die am beständigsten brillante und einzigartigste amerikanische Band, die in den 1990ern entstanden ist. Und auch hierzulande wird das von der Kritik einstimmig gefeierte, gleichermaßen strenge wie minimalistische 2002er-Album „Is A Woman“ von der Süddeutschen schon mal zu den zehn besten Alben aller Zeiten gezählt.

Nicht zuletzt, weil Wagner seinen unklassifizierbaren Hybrid aus Country, Soul, Jazz, Avantgarde-Noise, Post-Rock und Lounge-Musik immer mit einer subtilen lyrischen Doppelbödigkeit und einer kühlen melodischen Nonchalance ausstattet, die ihn zu einem der eigenwilligsten Songschreiber zumindest des Post-Alt-Country macht. Egal, ob er lebhaft von einem schlechten LSD-Trip berichtet, oder nur lakonisch davon, dass er mal das Rauchen aufgegeben hat: Wagner erzählt seine Geschichten meisterhaft.

Nicht nur in Nashville euphorisch aufgenommen wurde naturgemäß auch Wagners aktuelles Projekt „Kort“, für das er gemeinsam mit Cortney Tidwell die Archive von Chart Records durchstöbert und Perlen aus den 60ern und 70ern neu interpretiert hat. Dass die Band größtenteils aus „Lambchop“-Musikern besteht, macht ihr Album „Invariable Heartache“ dabei nicht weniger eigenständig: Beider Duette sind nicht nur eine liebevolle Hommage an die Geschichte der „Music City“. Sondern fügen ihr ein eigenes Kapitel hinzu.

■ Fr, 6. 5., 20 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20