Britische Marines verkaufen ihre Story

Ungewöhnliche Entscheidung in London: Das Verteidigungsministerium erlaubt den Exgefangenen des Iran den Verkauf ihrer Erlebnisse an die Medien. Das führt zu einen Sturm der Empörung. Vor allem die Angehörigen von Gefallenen protestieren

VON RALF SOTSCHECK

Frauen in Uniform verkaufen sich gut. Von der Entscheidung des britischen Verteidigungsministeriums, dass die 15 Soldaten, die 13 Tage lang im Iran wegen angeblicher Grenzverletzung festgehalten wurden, ihre Geschichte an die Medien verkaufen dürfen, profitiert vor allem die einzige Frau unter ihnen. Die 26-jährige Faye Turney soll rund 100.000 Pfund von dem Boulevardblatt Sun und dem Fernsehsender ITV kassiert haben.

Die Erlaubnis, für die Interviews Geld zu kassieren, hat in Großbritannien heftige Diskussionen ausgelöst. Eine solche Erlaubnis wird normalerweise nur unter besonderen Umständen erteilt. Dies waren solche Umstände, findet das Verteidigungsministerium, da „die Medien direkten Kontakt zu den Familien aufgenommen und ihnen erhebliche Geldsummen geboten“ haben. Darüber habe man keine Kontrolle. „Deshalb haben wir beschlossen, die Erlaubnis zu erteilen, mit den Medien zu sprechen, damit die Marine und das Verteidigungsministerium überblicken können, was gesagt wird“, hieß es in einer Presseerklärung. Die Entscheidung sei vom Verteidigungsminister Des Browne abgesegnet worden.

William Hague, außenpolitischer Sprecher der Tories, protestierte dagegen: „Wenn Leute, die in schwierigen Situationen waren, ihre Geschichte umgehend verkaufen dürfen, verlieren wir die Würde und den Respekt für unsere bewaffneten Streitkräfte.“ Das meint auch Bob Stewart, der frühere britische Kommandant der UN-Truppen in Bosnien-Herzegowina. „Die Matrosen und Marinesoldaten waren im Iran so kooperativ und haben bereits so viel gesagt, dass es vielen Menschen in unserem Land furchtbar peinlich ist“, sagte er. „Manche sagen, dass sie Angst hatten, als die Wächter ihre Waffen luden, andere sagen, sie hätten lediglich mit den Waffen gespielt. Wie kommt das denn im Ausland an?“

Kritik gab es auch von den Angehörigen der Soldaten, die im Irakkrieg ums Leben gekommen sind – insgesamt sind es bisher 140, vorige Woche kamen sechs weitere hinzu. Mike Aston, dessen 30-jähriger Sohn Russell Aston im Juni 2003 im Irak getötet wurde, sagte: „Ich habe keinen Penny verdient. Hätte ich meine Geschichte verkauft, hätte ich dadurch das Andenken meines Sohnes beschmutzt.“

Die 15 Soldaten wurden nach ihrer Freilassung am Donnerstag im Marinelager Chivenor in der südwestenglischen Grafschaft Devon auf ihre Begegnung mit den Medien vorbereitet. Sechs von ihnen gaben am Freitag eine kostenlose Pressekonferenz. Darin betonten sie, dass sie sich 1,7 Seemeilen innerhalb irakischer Gewässer befunden haben, als sie in Gewahrsam genommen wurden. Im iranischen Fernsehen hatten sie eingeräumt, in iranische Gewässer eingedrungen zu sein.

Faye Turney hat an der Pressekonferenz nicht teilgenommen. Sie beschrieb gestern in ihrem Interview mit der Sun, dass sie fünf Tage von ihren Kollegen getrennt war und sich bis auf die Unterhosen ausziehen musste. Sie verteidigte die Entscheidung, sich kampflos zu ergeben. „Hätten wir das Feuer eröffnet, hätte es ein Blutbad gegeben, bei dem wir nicht gewinnen konnten“, sagte sie. Sie sei dreimal täglich verhört worden, man habe ihr dabei mehrfach mit dem Tod gedroht. Ihre Aufseher wollten ihr weismachen, dass ihre 14 Kollegen längst zurück in Großbritannien seien.

Nicht alle Soldaten wollen mit den Interviews Geld verdienen. Der 26-jährige Felix Carman sagte: „Ich will lediglich meine Geschichte erzählen.“ Das Honorar will er einer Wohltätigkeitsorganisation spenden.

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