Dreikampf um die Klimamedaille

Nach dem jüngsten IPCC-Bericht entbrennt in der Koalition die Konkurrenz um die beste Klimapolitik. Die SPD verlangt einen Gesetzes-Fahrplan

… deshalb müssen wir jetzt drinnen – in Kabinett und Parlament – auch anfangen, endlich was zu tun“

VON NICK REIMER

Der Ausstoß von Kohlendioxid muss drastisch reduziert werden – das ist die Botschaft des jüngsten Berichtes des UN-Klimarates IPCC. In Deutschland aber steigt der Ausstoß weiter an. Nach Erhebung des Umweltbundesamtes (UBA) legten die CO2-Emissionen im vergangenen Jahr um 0,6 Pozent zu. „Allerdings sind das nur vorläufige Zahlen“, erklärte eine UBA-Sprecherin. Klimagase wie etwa Methan oder Schwefelhexafluorid – 22.000-mal so schädlich wie Kohlendioxid – seien in der Erhebung noch nicht berücksichtigt. „Schuld“ an der Zunahme sei vor allem das gestiegene Wirtschaftswachstum. Der Präsident des Umweltbundesamtes, Andreas Troge, sagt: „Wir müssen daher beim Klimaschutz zulegen.“

Eine Ansicht, die der Umweltflügel der SPD-Bundestagsfraktion teilt. „Die Kanzlerin erzählt draußen immer, was zu tun ist. Deshalb müssen wir jetzt drinnen – in Kabinett und Parlament – auch anfangen, endlich was zu tun“, erklärt Frank Schwabe, der klimapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Und Ulrich Kelber, SPD-Fraktionsvize, sagt: „Man möchte ja gern glauben, dass der Klimaschutz eine Herzensangelegenheit der Bundeskanzlerin ist. Allerdings müsste Angela Merkel als Parteichefin der Union dann auch mal dafür sorgen, dass ihre Partei nicht immer nur beim Klimaschutz blockiert.“ Selbst Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) scheint mit der koalitionsgebotenen Zurückhaltung am Ende. Im Tagesspiegel kritisierte er seinen Kollegen aus dem Wirtschaftsressort Michael Glos (CSU): Statt schon jetzt Vorschläge für den Wahlkampf zu machen, „sollten wir erst mal das auf den Weg bringen, was wir miteinander vereinbart haben: Ausbau der Kraft-Wärme-Koppelung, Erneuerbare-Wärme-Gesetz, Steigerung der Energieeffizienz.“

Zum Beispiel beim Erneuerbare-Wärme-Gesetz: Die schwarz-roten Koalitionäre hatten in ihrem Koalitionsvertrag ein Gesetz nach dem Vorbild des Erneuerbare-Energien-Gesetzes festgeschrieben. Ähnlich wie bei Strom soll mit diesem Gesetz die Wärmeerzeugung aus regenerativen Quellen gefördert werden, beispielsweise über Solarthermie, Bioenergie oder Erdwärme (siehe Text unten). „Die SPD hat Anfang des Jahres ein solches Gesetz vorgelegt“, sagt Kelber, „seitdem warten wir auf eine Einschätzung durch den Koalitionspartner.“ Bislang vergebens.

Zum Beispiel beim Kraft Wärme-Kopplungs-Gesetz: Man könnte jene Wärme, die bei der fossilen Stromerzeugung zwangsläufig entsteht, sinnvoll nutzen – etwa um Fabriken mit Dampf oder Prozesswärme zu versorgen oder um Kommunen zu beheizen. Die klimafreundliche Technologie der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) fristet in Deutschland aber ein klägliches Dasein. Während etwa beim Nachbarn Dänemark 40 Prozent des Strom- und Wärmebedarfs über diese Technik hergestellt werden, sind es in Deutschland gerade einmal 12 Prozent. „Obwohl wir das verabredet haben, hat der zuständige Wirtschaftsminister binnen 15 Monaten kein neues Gesetz auf den Weg gebracht“, sagt Frank Schwabe. Deshalb habe die SPD nun selbst eine KWK-Novelle erarbeitet. Formuliertes Ziel: Verdopplung der KWK-Produktion bis 2020.

„Auch dieses Gesetz liegt dem Koalitionspartner vor“, sagt Kelber. Antwort? Keine. „Statt über die Atomkraft zu debattieren, soll der Wirtschaftsminister erst mal seine Hausaufgaben machen“, so der SPD-Vize. Würde die deutsche Energieversorgung auf Kraft-Wärme-Kopplung umgestellt, bräuchte es für den deutschen Klimaschutz die Atomkraft gar nicht mehr. „Wir wollen jetzt endlich von der Union wissen, wie sie es mit dem Klimaschutz hält“, sagt Kelber. Im Koalitionsausschuss werde die SPD einen verbindlichen Zeitplan für die beiden Gesetze fordern.

„Die Kanzlerin Angela Merkel erzählt draußen immer, was in puncto Klimaschutz zu tun ist …

Die allerdings nur ein Anfang sein können, sagt der SPD-Klimaexperte Schwabe. Er kündigt eine ganze Reihe von Gesetzesinitiativen bis zur Sommerpause an. Zum Beispiel zum Tempolimit: „Es ist allen völlig klar, dass das Limit von 130 Stundenkilometern auf der Autobahn kommen muss. Statt also lange darüber zu diskutieren, sollten wir es jetzt einführen.“ Untersuchungen zeigen, dass sich bis zu 1 Prozent Kohlendioxid durch ein Tempolimit einsparen lassen. „In der gegenwärtigen Situation ist 1 Prozent ein erhebliches Sparpotenzial.“ Deshalb habe die Umweltgruppe der SPD-Bundestagsfraktion beschlossen, ein entsprechendes Gesetz zu formulieren. Und Ulrich Kelber urteilt: „Nie war der Umweltflügel innerhalb der SPD so stark wie heute.“

Doch auch andere Fachpolitiker der SPD versuchen den Klimaschutz voranzutreiben. Marco Bülow, umweltpolitischer Fraktionssprecher, bringt etwa eine neue Runde der Ökosteuer ins Spiel. „Anders als bisher soll die Öko-Steuer aber nicht zur Stabilisierung der Rentenbeiträge zweckentfremdet werden, sondern in den öffentlichen Nahverkehr fließen“, fordert Bülow. Der SPD-Parteirat hat beschlossen, die Mittel im Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien weiter anzuheben. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul will finanzielle Entschädigungen für jene Länder einführen, die ihre Wälder nicht mehr abholzen. Die SPD-Ministerin: „Bis zu einem Viertel der Erderwärmung geht aktuell auf die Abholzung zurück. Der Regenwaldschutz muss absolute Priorität haben.“

Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hat an diesem Wochenende ein verbindliches Klima-Label für Neufahrzeuge angekündigt. Noch in diesem Jahr soll es Aufschluss darüber geben, wie viel Kohlendioxid das Auto ausstößt und in welchem Verhältnis der Ausstoß zur Nutzlast steht. „Wir brauchen mehr Transparenz als Grundlage für vernünftige Kaufentscheidungen“, so Tiefensee. Auf dem Pass solle es zwei Skalen geben: „Auf der oberen ist der CO2-Ausstoß ablesbar. Grün heißt sehr wenig CO2, Gelb bedeutet mittel, und Rot weist auf einen sehr hohen CO2-Wert hin.“ Und dann ist da noch der Umbau der Kfz-Steuer, die Tiefensee erreichen will: CO2-Stinker sollen künftig mehr zahlen.