AUF DEN STELEN
: Echt geil hier

Das Denkmal sollte etwas sein, wo die Deutschen gern hingehen

Endlich mal eine Ausstellung, die auch Fup interessiert, aber die Touristen verstopfen die Wickinger-Schau im Gropiusbau. Dann gehen wir eben auf eine Kundgebung gegen Judenhass am Brandenburger Tor. Beim Denkmal für die ermordeten Juden machen wir Pause. Fup läuft zwischen den Stelen umher und sagt: „Lass uns Versteck spielen.“ Ich sage: „Pass auf, dass du nicht entführt wirst.“ Eine etwas füllige junge Frau in engen Jeans wuchtet sich auf eine der Stelen. Von oben sagt sie zu ihrer Freundin: „Ey, komm hoch. Is echt geil hier.“

Die Frau wirft sich in Posen, die mir von Unterwäschemodels aus Unterwäschekatalogen bekannt vorkommen, und ihre Freundin macht Fotos. Dann legt sich die Freundin auf eine der Stelen und lässt sich von der fülligen Frau von vorn und von hinten fotografieren. Ich glaube, Gerhard Schröder hat gesagt, das Denkmal sollte etwas sein, wo die Deutschen gern hingehen.

Als ich Fup eingefangen habe, gehen wir weiter zur Kundgebung. Ich trage ihn auf den Schultern, weil ihm plötzlich „die Beine wehtun“. Ich sehe mich um. Aber niemand da, den ich kenne. Ein Plakat erinnert daran, dass Bob Dylan und Barbra Streisand auch Juden sind. Und Kinky Friedman auch, denke ich. Aber der steht nicht auf dem Transparent. Von evangelischen Diakonissen kriegen wir einen Anstecker „Steh auf. Nie wieder Judenhass“ und eine kleine israelische Papierflagge. Mir fällt auf, dass nur ältere Leute da sind. Und viele Kameras. Fup ist mit Abstand der Jüngste und weil er das Fähnchen schwenkt, eine Baseballkappe von Superman verkehrt rum auf und einen großen Mops aus Stoff unter dem Arm hat, werden wir dauernd fotografiert und gefilmt. Auf diese Weise bekomme ich auch etwas von der öffentlichen Aufmerksamkeit ab. Bevor Angela Merkel spricht, gehen wir an einem „Demo- und Drucklösungscenter“ vorbei zurück zum Auto. KLAUS BITTERMANN