Mit doppeltem Gesicht

Die runderneuerte „Frankfurter Rundschau“ soll ab Ende Mai im kleinen Format von hinten und vorne lesbar sein

Es ist schon ein bisschen merkwürdig, was der Fachdienst Kontakter in seiner aktuellen Ausgabe zum Stand der Dinge bei der Frankfurter Rundschau präsentiert: einen Entwurf der am 30. Mai vom großen, für überregionale Blätter bislang klassischen Zeitungsformat aufs handliche Tabloid (etwas kleiner als die taz) zusammenschnurrenden Zeitung. Der allerdings so alt ist – nämlich vom Februar –, dass FR-Geschäftsführer Sönke Reimers dem Kontakter bescheidet, dass dieser Dummy in Sachen „Titelseite oder Blattstruktur“ nicht den „aktuellen Entwicklungsstand“ darstellt.

Was nun in sieben kurzen Wochen wirklich kommt, wird einigermaßen hermetisch vor auswärtigen Interessenten abgeschirmt. Passé ist jedenfalls die vom Kontakter veröffentlichte, eher an Wochenzeitungsoptik erinnernde Titelseite. Gearbeitet wird nun an einer monothematischen Seite 1 mit entsprechend üppiger optischer Aufmachung. Damit folgt die FR ihrem großen Vorbild Independent aus Großbritannien, der als erste Qualitätszeitung schon 2003 erfolgreich zum Tabloid schrumpfte, nimmt aber auch Entwicklungen bei anderen Blättern wie der französischen Libération oder auch der taz auf: Ein Thema steht klar im Mittelpunkt, weitere Angebote finden sich nur als kurze Anreißer auf der Seite 1 wieder.

Doch die FR baut nicht nur vorne um: Auch die letzte Seite der Zeitung soll offenbar künftig als eine Art B-Titel dienen. Allerdings wird hier wohl nicht wie bei britischen Vorbildern Sport serviert. Geplant ist eher ein täglicher Magazinauftritt, bei dem auch weichere Themen zu ihrem Recht kommen. Darüber hinaus soll im politisch-aktuellen Teil die Seitenfolge flexibel gehandhabt werden. Es steht damit nicht mehr wie bisher von vornherein fest, wie viel Platz einzelne Unterressorts (wie zum Beispiel Außen- oder Innenpolitik) haben. So kann das Blatt einerseits flexibler auf aktuelle Ereignisse reagieren. Auch die Themen der schon heute existierende Seite „Thema des Tages“ dürfen sich dann je nach Anlass über ein paar Seiten mehr erstrecken. Andererseits muss so jeden Tag neu ausgewürfelt werden, wer für seine Themen wie viel Platz bekommt – in Redaktionen, wo alle stets das eigene Thema naturgemäß für das allerwichtigste halten, kein immer konfliktfreies Unterfangen.

In der Redaktion, so heißt es in Frankfurt, seien bisher nur sehr wenige Mitarbeiter in die Vorbereitungen der Entwicklungstruppe eingeweiht, die Ungewissheit sei groß.

Nur eins scheint einigermaßen sicher: Der entzückende kleine Eisbär Knut müsste sich nicht mehr wie noch gestern in der großen FR als „Thema des Tages“ tummeln. Er dürfte dann wohl nach hinten, als (Magazin-) Titel zum Knuddeln. STG