Union sauer, Opposition erfreut

SICHERUNGSVERWAHRUNG Wie Politiker auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts reagieren

„Man muss neue Einrichtungen schaffen. Und die kosten Geld“

CHRISTINE LAMBRECHT, SPD

VON FELIX LEE

BERLIN taz | Nach dem einschneidenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung ist die Politik am Zuge. Doch die nahm sich am Donnerstag zunächst in Form von Schelte des Themas an.

Der innenpolitische Sprecher der CDU, Wolfgang Bosbach (CDU), kritisierte das Urteil als „problematisch“ und monierte, dass nicht nur auf den Gesetzgeber sehr viel Arbeit zukomme, sondern auch auf die Polizeibehörden. Die Dauerbewachung eines einzigen freigelassenen, aber weiterhin gefährlichen Straftäters werde 20 bis 25 Polizisten in Anspruch nehmen, rechnete Bosbach vor. Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaus, zitierte aus Studien, in denen die Kosten dafür pro Monat auf 1 Million Euro geschätzt werden. Am heftigsten kritisierte Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) das Urteil. Es stelle Freiheitsrechte des Täters vor den Schutz der Bevölkerung. „Ich bin enttäuscht“, sagte sie der Augsburger Allgemeinen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am Mittwoch sämtliche Vorschriften zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt. Bislang galt, dass ein Täter auch nach Verbüßung seiner Strafe im Gefängnis bleiben musste, solange er als gefährlich galt.

Diese Praxis hielt das Gericht für unzulässig. Die Verwahrung müsse sich grundsätzlich von der Strafhaft unterscheiden. Für eine Neuregelung setzte es eine Frist von zwei Jahren.

Die Oppositionsparteien begrüßten das Urteil. Es sei „ausgewogen und klug“, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Christine Lambrecht, denn es enthalte die klare Botschaft, dass „unsere Rechtsordnung die Europäische Menschenrechtskonvention achtet“. Grünen-Rechtspolitiker Jerzy Montag sprach von einem „Scherbenhaufen“ für Union und FDP. Seine Partei habe schon vor einiger Zeit angemahnt, dass sowohl eine nachträgliche Verhängung der Sicherungsverwahrung als auch eine Entfristung ein Verstoß gegen die Grundrechte darstelle. Auch Wolfgang Neskovic von der Linkspartei bezeichnete das Urteil als „große Niederlage“ der Regierung.

Für eine Neuregelung forderte er objektive Kriterien, wann ein Straftäter nur gefährlich oder hoch gefährlich und psychisch gestört ist. Die Sicherungsverwahrung wäre mit der Menschenrechtskonvention nur vereinbar, wenn sie bei Personen angewandt werde, deren Gefahrenpotenzial auf eine psychische Erkrankung zurückzuführen sei. Der von Karlsruhe verwendete unscharfe Begriff der „psychischen Störung“ könne dazu verleiten, Täter willkürlich zu psychiatrisieren. SPD-Politikerin Lambrecht verwies auf Länder wie Berlin und Brandenburg, wo bereits Konzepte für die künftige Therapieunterbringung entwickelt wurden. „Es ist klar, dass neue Einrichtungen geschaffen werden müssen und diese Geld kosten.“