„Mythos Wegwerfer“

GEPLANTE OBSOLESZENZ Stefan Schridde liest aus seinem Buch über Murks bei der Produktion von Geräten

■ 53, Betriebswirt, schrieb „Murks? Nein danke!“ und gründete den gleichnamigen Verein für nachhaltige Produktqualität.

taz: Welches Gerät haben Sie sich zuletzt neu gekauft, Herr Schridde?

Stefan Schridde: Ein Fairphone, also ein neues Handy, bei dem man aber selbst Einzelteile austauschen kann. Mein altes Handy konnte nicht mehr genug Kontakte speichern.

Wie lange sollte das Handy halten, damit Sie es nicht als Murks bezeichnen?

Ungefähr fünf Jahre.

Was ist der Unterschied zwischen normalem Verschleiß und Murks?

Geplante Obsoleszenz oder Murks ist es dann, wenn Hersteller so bauen und verkaufen, dass die Nutzungsdauer unnötig kurz wird – um so schnellen Neukauf zu forcieren. Außerdem ist es Murks, wenn, das Gerät nicht repariert werden kann oder man keine Ersatzteile bekommt.

Was kann man als Verbraucher dagegen tun?

Man kann als Käufer auf Indizien achten, die auf geplante Obsoleszenz hinweisen. Oft zeigt die ganze Konstruktion schon: dieses Gerät ist nicht auf eine Reparatur ausgelegt worden, statt Schrauben wurde verklebt oder die Schrauben sind nicht zugänglich. Häufig sind fest verbaute Akkus ein eindeutiges Indiz.

Kann man von politischer Seite aus etwas gegen die Produktion solcher Geräte tun?

Gesetzlich kann man eine Kennzeichnungspflicht veranlassen. Klare Warnmarken wie „Vorsicht, Ersatzteile nur zwei Jahre verfügbar“ wären möglich.

Ist es nicht ein Phänomen unserer Wegwerfgesellschaft, dass die Leute ihre Geräte gar nicht so lange nutzen wollen?

Ich denke, dass die Wegwerfgesellschaft ein Mythos ist. Ich schätze, dass ungefähr 80 Prozent der Gesellschaft keine typischen Wegwerfer sind. Diese Rede von der Wegwerfgesellschaft hat nur die Schamgrenze gesenkt, über einen Neukauf zu reden. Wer vor 30 Jahren seinen Kühlschrank wegwarf, wurde noch schief angeguckt, heute fragen dann alle nach dem neuen Modell.

Ist unser Wirtschaftssystem nicht darauf angewiesen, dass wir uns ständig neue Dinge kaufen?

Nein, unser Wirtschaftssystem würde nicht zusammenbrechen, sondern sogar das Gegenteil wäre der Fall. Eine Haltbarkeit wie vor 30 Jahren würde dafür sorgen, dass am Monatsende mehr Geld auf der Hand übrig bliebe und diese Gelder können woandershin fließen.

INTERVIEW: JELENA MALKOWSKI

Buchpräsentation „Murks? Nein danke!“: 18.30 Uhr, Gut Karlshöhe, Hamburger Umweltzentrum, Karlshöhe 60 d