Hirn schlägt Kopf

Zu den wiederkehrenden Denkfiguren in Hannah Arendts politischer Theorie gehört die antike Vorstellung von der Unsterblichkeit durch politisches Handeln. Anders als die Christen konnten die Alten „nur unsterblich werden, indem sie der Welt etwas hinzufügten, das nach ihrem Tod weitergeht“. Sprich: Etwas, das die Begrenztheit des Individuums überwindet, also genau das schafft, was sich als Öffentlichkeit bezeichnen lässt.

Insofern hätte Arendt wohl nichts dagegen, dass in Hannover, in dessen damaliger Vorstadt Linden sie 1906 geboren wurde, jetzt außer einem kleinen Fußweg an der Leine auch noch ein wichtiger Platz nach ihr heißen soll – der, an dem der Landtag liegt. Die wohl bedeutendste politische Denkerin des 20. Jahrhunderts, Jüdin, war bereits 1933 nach kurzer Haft in die USA ausgewandert, wo sie als Journalistin, Publizistin und Lektorin tätig war. Später, nach ihrem großen Werk über die Ursprünge des Totalitarismus (1951) erhielt sie Professuren an der University of California, in Princeton und der Columbia, 1972 starb Arendt in New York.

Die Umbenennung des hannoverschen Platzes war notwendig geworden, weil man den früheren Namensgeber, Hinrich-Wilhelm Kopf, Niedersachsens ersten Ministerpräsidenten, als untauglich erkannt hatte: Der SPD-Politiker hatte von 1939 bis 1943 verantwortlich an der Enteignung der polnischen Bevölkerung teilgenommen – und das Parlament nach 1949 darüber getäuscht.

Man hätte das weniger streng ahnden können, lebt doch laut Arendt politisches Handeln davon, dass man die Dinge nicht so präsentiert, wie sie sind. Die Gefahr freilich, Kopf würde dadurch weiter herabgewürdigt, dass sein Name dem einer Frau weicht, die ihm in allen Belangen überlegen war – sah im zuständigen Bezirksbeirat nur der CDU-Lokalpolitiker Joachim Albrecht. Aber wenn wir Arendts Revolutionsbuch noch richtig im Kopf haben, bestimmt sie dort die Vielfalt der Meinungen als den Reichtum der Perspektiven auf die gemeinsame Welt.  BES