Maulkorb für Uni-Professoren

Hamburgs Uni-Präsidentin Monika Auweter-Kurtz fordert alle Hochschulmitarbeiter auf, hochschulpolitische Äußerungen mit der Pressestelle abzustimmen. Dekane sehen Freiheit der Wissenschaft bedroht. Jetzt soll alles nur ein Missverständnis sein

An der Uni Bremen gebe es „keine verbindlichen Statuten“ für den Umgang der Mitarbeiter mit der Presse, sagt Sprecher Eberhard Scholz – also auch kein Verbot, sich zu hochschulpolitischen Fragen öffentlich zu äußern. Statements im Namen der gesamten Uni seien aber dem Rektorat vorbehalten. In den vergangenen Jahren habe es damit kaum „ernsthafte Probleme“ gegeben.

Ein Äußerungsverbot gebe es an der Uni Göttingen nicht, sagt Scott Stock Gissendanner, Juniorprofessor für Politikwissenschaft. Aber Kritik werde nicht gern gesehen. „Viele Professoren verpassen sich in der Öffentlichkeit einen Maulkorb. Ansonsten würden sich ihre Einflüsse auf institutionelle Entscheidungen verringern.“ Die mit dem Hochschulgesetz von 2003 aus der Wirtschaft übernommene hierarchische Ordnung „wünsche keine unaufgeforderten Ideen von unten“, sagt Gissendanner. mnz/mjk

AUS HAMBURG KAIJA KUTTER

Gerade ein halbes Jahr ist Monika Auweter-Kurtz als Präsidentin der Universität Hamburg im Amt. Jetzt gibt es den ersten Ärger. In einem Rundbrief vom 29. März an die sechs Dekane kritisiert sie, dass deren Mitglieder „immer wieder“ Stellungnahmen an die Medien abgäben, „ohne sich mit der Pressestelle abzustimmen“. Dies sei „leider kontraproduktiv“. Deshalb bitte Sie die Dekane „allen Mitgliedern ihrer Fakultät“ deutlich zu machen, dass sie künftig bei dem „Wunsch nach Medienaktivitäten“ oder „Anfragen“ von „lokalen, regionalen oder überregionalen“ Medien das Vorgehen mit der Pressestelle „abstimmen“.

Denn deren Aufgabe sei es, Medienanfragen „einzuschätzen und zu bearbeiten“ und Universitätsmitglieder vor „unseriösem Journalismus“ und „tendenziösen Anfragen“ zu schützen. Sofern die Medien einen Experten suchten, werde man „Kontaktdaten vermitteln“. Gehe es jedoch um „politisch diskutierte Fragen“ wie „Studiengebühren, Exzellenz oder Zulassungsbeschränkungen“, so Auweter-Kurtz, sorge die Pressestelle dafür, „dass die Universität einheitlich nach außen auftritt“.

Einziges Zugeständnis an die Wissenschaftler: Sollte es in der Praxis vorkommen, dass sie von Medien direkt kontaktiert werden, weil ihre „Forschungs-Expertise“ für einen Beitrag gewünscht sei, sollen sie dies „nachträglich“ der Pressestelle melden.

Das Vorgehen erinnert an das der Hamburger Schulbehörde, die 2004 allen Schulleitern und Lehrer untersagte, sich ohne Absprache mit dem Pressesprecher in den Medien zur Schulpolitik zu äußern. „Das hat alle Beteiligten stark eingeschüchtert“, berichtet Hamburgs GEW-Vorsitzender Klaus Bullan. Es sei „kein Zeichen von Selbstbewusstsein der Regierung, wenn sie es schlecht aushält, dass sich Beteiligte zur Schul- und Hochschulpolitik äußern“.

Nur gibt es zwischen Schule und Hochschule noch einen Unterschied: Zwar sind die meisten Lehrer und Professoren noch Beamte. Doch letztere können sich als Wissenschaftler auf besondere Freiheitsrechte berufen. „Das Recht auf öffentliche Meinungsäußerung ist für eine demokratisch verfasste Universität unabdingbar“, sagt Studierendenvertreter Bela Rogalla, der das Papier gestern öffentlich machte und von „autoritärer Selbstherrlichkeit“ der Präsidentin spricht. Auslöser für das Papier war nach seinen Informationen ein der Uni-Leitung nicht genehmer Beitrag des TV-Magazins Monitor über Ein-Euro-Jobber an der Uni.

Die Kritik wird von den ProfessorInnen geteilt. Es sei in Ordnung, wenn die Präsidentin deutlich mache, dass „nur sie die Universität nach außen vertritt“, sagt beispielsweise Wolfgang Weber, der Dekan der Fakultät der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Wiso). „Sie ist aber schlecht beraten, wenn sie festzulegen versucht, wer in welchen Medien etwas sagen kann.“ Auweter-Kurtz könne durch ihr Rundschreiben nicht die in der Verfassung verankerten Rechte der Wissenschaftsfreiheit außer Kraft setzen. Er wisse, „dass die Beteiligten am Wissenschaftssystem auch das Recht haben, sich zu den Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit und damit auch zu hochschulpolitischen Themen zu äußern“. Eine Position, die sich gestern auch in einer Resolution des Wiso-Fakultätsrates wiederfand.

„Wir sind empört und empfinden dieses Schreiben als eine Art Maulkorberlass“, sagt auch Politikprofessor Hans-Joachim Kleinsteuber. Der Brief sei „zweideutig formuliert“ und gefährde die gute Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Journalisten. Er bekomme mindestens hundert Medienanfragen im Jahr, die der Pressestelle zu melden schon organisatorisch nicht machbar wäre. Dabei gehe es meistens weder um Hochschulpolitik noch um die „sehr speziellen Forschungsgebiete“ von ihm und seinen Kollegen. Kleinsteuber: „Es geht um allgemeine Statements und die Kommentierung aktueller Ereignisse.“ Würden Wissenschaftler öffentlich zitiert, „schmücke“ dies zudem die Universität. Kleinsteuber: „Das wird gefährdet, wenn es über die Pressestelle liefe.“

Die neue Uni-Sprecherin Birgit Kruse versteht die Aufregung nicht: „Selbstverständlich kann jeder weiter seine Meinung sagen“, sagte sie der taz. „Ich würde dem Lehrenden nichts vorschreiben. Ich würde ihn beraten.“ Der Brief sei nur an die Dekane gerichtet und „nicht an die Professoren“. Birgit Kruse: „Er ist nicht dafür gedacht, dass er an die Öffentlichkeit kommt.“ Es sei lediglich ein Aufruf zu „mehr interner Kommunikation“.

Diese Notwendigkeit sieht auch Kleinsteuber. Amerikanische Unis hätten eine eigene Tageszeitung oder Radiostation als Forum, an deutschen Unis aber gebe es „keine Möglichkeit, Vor- und Nachteile von Maßnahmen zu kommunizieren“. An der Uni gebe es viele Probleme bei der Umsetzung von Reformen. „Sind Kollegen darüber frustriert, müssen sie an die Öffentlichkeit gehen, um Gehör zu finden.“