OFF-KINO

Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Einen besonderen Sinn für Subtilität besaß Samuel Fuller nicht. Zack, zack, zack! – so springen einen die Geschichten und Bilder des ehemaligen Kriminalreporters und Sensationsjournalisten an, der seine Drehbücher meist selbst schrieb und dessen späte Filme immer ein wenig aussahen, als hätte er sie persönlich mit der Axt geschnitten. Ein typischer Fuller-Dialogsatz lautet: „If you die, I’ll kill you.“ Mangelnde psychologische Motivation seiner Figuren gehörte zu Fullers geringeren Sorgen, ihm kam es darauf an, mit seinen Werken beim Zuschauer einen geradezu physischen Eindruck zu hinterlassen: Nach dem Ansehen eines Fuller-Films fühlt man sich meist reichlich mitgenommen. Ich hatte in den 1980er Jahren einmal die Gelegenheit, ihn in Persona zu erleben: eine raumfüllende Persönlichkeit mit großer Zigarre. Mit „A Fuller Life“ hat Fullers Tochter Samantha jetzt eine Dokumentation über ihren Vater gedreht, in der sie Freunde, Schauspieler und andere ehemalige Mitarbeiter Auszüge aus Fullers Autobiografie lesen lässt und dies mit Fotos, Filmausschnitten und bislang unveröffentlichten 16mm-Aufnahmen ihres Vaters aus dem Zweiten Weltkrieg bebildert. Der Ansatz ist zwangsweise eher biografisch als analytisch, trotzdem kommt ganz gut heraus, dass Fuller für seine Überzeugungen immer gern dort hinhing, wo es auch wehtat, und wie stark seine thematisch recht unterschiedlichen Filme doch von seinen Erfahrungen und Interessen geprägt waren (OF, 21. 9., Zeughauskino).

Der erste große Horrorstar der Filmgeschichte war der als „Mann der tausend Masken“ bekannte Amerikaner Lon Chaney, der 1925 auch durch Rupert Julians Verfilmung von Gaston Leroux’ berühmten Roman, „Das Phantom der Oper“, geisterte. Als verunstalteter, eifersüchtiger Exmusiker entführt er eine junge Sängerin in die Katakomben des Pariser Opernhauses und versucht, sich an den Menschen zu rächen, von denen er sich gedemütigt sah. Höhepunkt des Films ist ein großer Maskenball, dessen ganze Pracht sich im seinerzeit gerade erfundenen 2-Farb-Technicolor entfaltet. Das Babylon Mitte zeigt den beeindruckenden Gruselfilm am 20. 9. um Mitternacht, dazu spielt Anna Vavilkina auf der Kino-Orgel (20. 9., Babylon Mitte).

Eigentlich wollte Anna May Wong, Hollywoods einziger Glamourstar chinesischer Herkunft, Ende der 1920er Jahren in Europa dem Rollenkorsett tragisch endender Exotinnen entkommen. Es klappte nicht: Das europäische Filmdebüt der schönen und intelligenten Anna in Richard Eichbergs „Song“ (1928) führte sie an der Seite von Heinrich George ins Hafenviertel von Singapur, wo sie tanzte, liebte, litt und starb wie zuvor (Engl. ZT, 24. 9., Arsenal).