Berliner Platten
: Gut gemacht und gut gemeint

Barbara Thalheim: „Immer noch immer“ (Pläne/Rough Trade)

Es ist ja nicht so, dass sich Klaus Hoffmann noch nie mit Jacques Brel beschäftigt hätte. Zum ersten Mal hörte er einen der Chansons des Meisters, da war er erst 16 Jahre alt. Das war vor vier Jahrzehnten, und wenn man das alles mal zusammenzählt, merkt man, dass Hoffmann nicht mehr der Allerjüngste ist. Aber all die Jahre hat er nie lassen können von Brel, als hätte er sich damals ein Trauma eingefangen, hat ihn immer wieder gecovert und ins Deutsche übertragen. Vor zehn Jahren sind dann zwei komplette Alben entstanden, „Klaus Hoffmann singt Brel“ und der Konzert-Mitschnitt „Brel. Die letzte Vorstellung“. Danach wollte Hoffmann den Belgier eigentlich endgültig zu den Akten legen.

So könnte man also sagen, dass es nun ein doppeltes Jubiläum zu begehen gibt, 40 Jahre liegt die Infektion bereits zurück, 10 Jahre der erste Versuch, den Virus wieder loszuwerden. Was offensichtlich nicht geklappt hat, denn nun ist Hoffmann wieder auf Tour mit nichts als Brel-Liedern, und die wird er ab dem kommenden Dienstag in der Bar jeder Vernunft zur Aufführung bringen – zwei Wochen lang.

Auf dem dazugehörigen Album „Wenn uns nur die Liebe bleibt“ ist das Programm bereits dokumentiert – auf zwei CDs, man gönnt sich ja sonst nichts. 29 Lieder sind’s geworden, in denen Hoffmann mal wieder versucht, dem Übervater gerecht zu werden. So gut er eben kann. Und das ist schon ziemlich gut. Im Vergleich zu den früheren Interpretationen nimmt er sich zurück, fährt den Sturm und Drang herunter und lässt die Rampensau auch mal stecken. So dürfen die Songs einfach Songs sein und die deutschen Übertragungen haben genug Luft, den Vorlagen gerecht werden. Natürlich trägt Hoffmann immer noch ein bisschen zu dick auf, so ist er halt, natürlich ist er immer ein wenig neben der Spur, rutscht dann doch ab in den Kitsch, da wo das Original gerade eben noch die Kurve kriegt. Aber gerade dieses ganz und gar Unironische, dieses Sich-allzu-ernst-nehmen macht ja auch die Qualität aus von Hoffmann, der nun mal nicht der Mann fürs Understatement ist.

Klaus Hoffmann: „Wenn uns nur die Liebe bleibt“ (Stille Music/Indigo) Live: 17.–29. 4., Di.–So., 20.30 Bar jeder Vernunft

Gleiches ließe sich wohl auch sagen von Barbara Thalheim, deren Karriere nicht gerade von ironischer Distanz zum eigenen Schaffen geprägt ist. Das gilt auch für ihr neues Album „Immer noch immer“, auf dem sie mal zum hüpfenden Klavier das Kabarett der Weimarer Republik wiederbelegt und im nächsten Moment die aktuelle Politik der deutschen Sozialdemokratie kommentiert: „Seid ihr noch eine Volkspartei für die kleinen Leute?“, fragt sie beleidigt. Der Ausflug in die Tagespolitik ist, man muss es leider so sagen, ziemlich peinlich. Auch sonst tatscht die Thalheim wieder einige Male mit dem erhobenen Zeigefinger ins Fettnäpfchen: Ob sie sich um die dritte Welt sorgt („Die Afrikanerin“) oder um die Emanzipation („Frauenmacht“), ihre gut gemeinten Anliegen zieht sie mit moralinsauren Reimen leider ins Lächerliche. Dabei sind Chansons wie „Vorm Brandenburger Tore“ hübsch inszeniert mit jammerndem Akkordeon und gerührtem Schlagzeugbesen. Textlich aber gilt: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. THOMAS WINKLER