Chinas neue Schwedin

Vor der diesjährigen Frauenfußball-WM im Reich der Mitte: Das Nationalteam der Gastgeber hat eine neue Trainerin

Nicht nur für die deutschen Fußballerinnen war der Algarve-Cup im vergangen Monat ein Desaster. Der Elf Chinas, dem Gastgeber der im September stattfindenden WM, erging es noch schlimmer: Sie verlor alle ihre Spiele. Aus dieser Krise soll den chinesischen Frauenfußball nun eine Schwedin retten. In der kommenden Woche übernimmt Marika Domanski-Lyfors den Posten als Trainerin der Frauenfußballnationalmannschaft. Für die Nachfolge des bisherigen Cheftrainers Ma Liangxing, der offiziell wegen gesundheitlicher Probleme sein Amt räumen musste, galt ursprünglich die ehemalige deutsche Bundestrainerin Tina Theune-Meyer als Topfavoritin. Doch sie hatte abgelehnt.

Worauf der chinesische Fußballverband, der angesichts der Erfolge europäischer Frauenteams in den letzten Jahren offenbar unbedingt eine europäische Trainerin haben wollte, die Schwedin kontaktierte. Und Domanski-Lyfors sagte nach einigem Zögern zu: „Erst war ich überrascht, dann stolz, dann begann das Nachdenken.“ Was aber mehr mit dem dann schwierigeren Kontakt zu ihrer Familie zu tun hatte und der Tatsache, dass sie vorzeitig ihren bisherigen Posten als Trainerin der schwedischen U-21-Frauen kündigen musste. Nicht so sehr mit politischen Erwägungen. „Darüber habe ich nicht so viel nachgedacht“, erklärte sie in einem Interview mit dem Stockholmer Svenska Dagbladet: „Ich will mir eine eigene Meinung bilden, wenn ich erst da bin.“ Vielleicht könne sie als erste ausländische und überhaupt erste weibliche Trainerin der chinesischen Nationalmannschaft ja auch etwas bewirken. „Sport weckt Emotionen und regt zum Nachdenken an, und ich finde, man soll da positiv herangehen. Die Fifa hat ja auch ein schönes Motto: ‚Make the world a better place.‘“

„Ich dachte, es wäre feige, wenn ich ablehnen würde“, erklärt die 46-Jährige. Die Erwartungen an Domanski-Lyfors, welche die schwedischen Fußballfrauen von 1996 bis 2005 erfolgreich geführt und bei der Weltmeisterschaft 2003 Silber geholt hatte, sind in China natürlich groß. Und die energische Trainerin hat sich mit ihrer neuen Elf bereits jetzt das Erreichen des Halbfinals zum Ziel gesetzt: „Sowie einen dritten Platz bei den Olympischen Spielen.“ Diese finden ja 2008 in Peking statt, und gerne würde sie auch dann dort noch Coach sein. Ihr jetziger Vertrag endet vor den Spielen, allerdings mit der ausdrücklichen Option auf eine Verlängerung. Doch dafür muss sie die chinesischen Frauen binnen fünf Monaten in eine weit bessere Form bringen.

Wie das gehen soll, darüber will und kann sich Domanski-Lyfors noch nicht äußern. Vielleicht vor allem durch ihr Charisma. „Sie ist passioniert, liebt diesen Sport, und das färbt ganz einfach ab“, beschreibt Nationalspielerin Frida Östberg die Ex-Nationaltrainerin. Zur fachlichen Hilfe nimmt sich Domanski-Lyfors auch gleich noch eine hochkarätige Assistenztrainerin aus Schweden mit: Pia Sundhage, 146-fache Nationalspielerin, Extrainerin bei den Boston Breakers und derzeitige Trainerin der schwedischen Erstliga-Mannschaft KIF Örebro. Deren Vereinschef ist natürlich ebenso wenig erfreut, sich zu Saisonbeginn eine neue Trainerin suchen zu müssen, wie der Fußballverbandsvorsitzende Lars-Åke Lagrell, der seine Nachwuchstrainerin verliert. Doch betonen beide die „Ehre“, welche das Vertrauen, das China in schwedisches Führungspersonal habe, darstellt. Und hoffen auf positive Rückwirkungen auf den einheimischen Frauenfußballsport. Welcher in der Amtszeit von Domanski-Lyfors tatsächlich seine bisherige Blütezeit auf nationaler wie internationaler Ebene erlebt hat. Als die kleine Marika 1971 als Elfjährige mit dem Fußballspielen begann, kickten Frauen noch äußerst selten. Und jetzt darf die ehemalige schwedische Meisterin im Wasserballonwerfen sich auch ein wenig darüber freuen, mit einem Jahresgehalt von 400.000 Euro doch tatsächlich mehr zu verdienen als ihr Kollege Lars Lagerbäck, der Nationalcoach der schwedischen Herrenfußballmannschaft. REINHARD WOLFF