„Wolfsburg, Wolfsburg, 2. Lihiga…“

ABSTIEGSKAMPF I Nach dem 1:2 gegen den 1. FC Kaiserslautern ist das Ende für Felix Magath und den VW-Klub VfL Wolfsburg ziemlich nahe. Der teure Umbau des Teams seit 2009 ist jedenfalls gründlich misslungen

VON PETER UNFRIED

Nach 14 Jahren in der Fußball-Bundesliga ist das Ende für den VfL Wolfsburg nahe. Für diese Prognose finden sich nach dem 1:2 gegen den 1. FC Kaiserslautern viele Gründe. Andererseits ist als Tabellenfünfzehnter auch das 15. Bundesligajahr nahe. Möglicherweise reicht es sogar, am kommenden Samstag in Hoffenheim zu verlieren. Dann nämlich, wenn Mönchengladbach in Hamburg verliert – und Frankfurt bei Meister Dortmund nicht gewinnt. Oder es reicht selbst mit einer Niederlage zumindest in die Relegation.

Das ist nicht zynisch, sondern realistisch angesichts des 1:2 vom Samstag gegen einen bereits geretteten Gegner, der den Sieg gerne mitnahm, den ihm der VfL rüberreichte – aber mehr auch nicht. Wolfsburg hatte 20 geordnete Minuten und eine frühe und eigentlich beruhigende Führung durch Mario Mandzukic (6.) und stand durch den erstarkten Kroaten kurz vor dem 2:0. Dann aber ließ man sich beim und durch das 1:1 von Srđjan Lakic (25.) komplett aus dieser Ordnung bringen, die zuletzt zwei Siege ermöglicht hatte. Martin Amedick (44.) erzielte nach einem weiteren Standard von Christian Tiffert den Siegtreffer. Damit waren zwei der insgesamt drei Schüsse der Kaiserslauterer Tore. Der VfL verbuchte 21 Schüsse, 32:12 Flanken, 10:3 Ecken, aber die Realität war, dass die Flanken allesamt von Amedick weggeköpft wurden und Diegos miserabel getimete Standards fast alle in den Armen von Keeper Kevin Trapp landeten. Man habe den Klassenerhalt „erstmal verdaddelt“, sagte VfL-Chef Felix Magath. Das sei „fatal“. Dass der Kaiserslautern-Torschütze Lakic beim VfL ab Sommer den Vertrag seines Lebens abgeschlossen hat, wurde viel diskutiert. Für ihn war das Tor erkennbar eine Sache der Ehre. Aber glücklich sei er nicht, sagte Lakic. Ob sein Vertrag auch für die 2. Liga gilt, dazu wollte er sich nicht nicht äußern.

Hinterher ist man immer schlauer und kann analysieren, dass viel schief gelaufen ist in Wolfsburg seit dem Meistertitel von 2009, speziell aber vor und in dieser von Aktionismus und Fehlgriffen geprägten Saison. Der teure Umbau eines Teams ist jedenfalls gründlich misslungen, dem der frühere Manager Uli Hoeneß mit Zvjezdan Misimovic und Edin Džeko während der Saison die spielerische Klasse rausoperiert hatte. Weil er musste, sagte Hoeneß. Weil Diego Zusätzliches einbringen sollte. Diego ist nicht schlecht, er ist außergewöhnlich stark am Ball, aber er ist weit von Džekos Extraklasse entfernt. Hoeneß’ Wintereinkäufe? Wenn man etwa sieht, wie sich der erstaunlich schwerfällige Patrick Helmes über das Spielfeld schleppt, ist es schwer, in dem Mann den einstigen Nationalstürmer wiederzufinden. Von anderen erst gar nicht zu sprechen. Der zurückgekehrte Magath hat am Sonntag in einer Fernsehsendung die Überarbeitung des – also seines – Kaders als einen Hauptgrund für die Misere angeprangert. „Die Strukturen wurden völlig zerstört.“

Die VW-Manager hatten den falschen Mann mit dem Umbau nach der Magath-Ära beauftragt. Dann haben sie Magath beauftragt, aus dem falschen Umbau der Magath-Ära wieder eine Magath-Ära zu machen. Und nun wird man sehen, ob es eine Zweitliga-Ära wird. Mit Magath. Oder dann doch ohne Magath? „Selbstverständlich bleibe ich, egal in welcher Liga“, sagt der. Selbstverständlich ist er „sicher, dass es die 1. Liga sein wird.“

Am Ende stimmten die Lauterer Anhänger ein glückliches Lied an: „Wir singen Wolfsburg, Wolfsburg, zweite Lihiga, wie ist das schön, euch nie mehr zu seh’n.“ Da schwang sicher Revanchismus mit für 2006, als die Wölfe den FCK am letzten Spieltag in die 2. Liga befördert hatten. Aber es dürfte nach all den Jahren auch noch ein verbreitetes Gefühl sein, dass dieser Klub zu Unrecht in der Bundesliga spiele. Für die Emo-Traditionalisten wegen mangelnder Geschichte, für die Gerechtigkeitstraditionalisten wegen des Besitzers Volkswagen und des damit verbundenen Standortvorteils, (große) Teile des ausgegebenen Geldes nicht refinanzieren zu müssen. Doch auch wer gern erleben möchte, wie Geld sich selbst versenkt, sollte nicht vergessen: Für die Leute in Wolfsburg ist ein Abstieg genauso schlimm wie für die in St. Pauli oder die in Mönchengladbach. Wenn nicht schlimmer.