Grippemittel mit Warnhinweisen

Die möglichen Nebenwirkungen des Grippemittels Tamiflu sind doch größer, als bisher angenommen wurde. Gefährdet sind vor allem Kinder

Das Grippemittel Tamiflu kann unerwünschte Nebenwirkungen haben. Das japanische Gesundheitsministerium hat daher den Vertreiber des Neuraminidasehemmers Oseltamivir (Tamiflu) angewiesen, in Krankenhäusern künftig Sicherheitsinformationen über das Mittel zu verteilen. Teenager ab zehn Jahre sollen das Mittel nur noch in Ausnahmefällen erhalten. Das japanische Gesundheitsministerium bestätigte auch, dass bis Oktober 2006 Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre in 16 Fällen unter Oseltamivir verhaltensauffällig wurden und zu Tode kamen. Entsprechende Verhaltensstörungen seien auch bei Erwachsenen dokumentiert worden.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die US-Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) nach einer Auswertung überwiegend aus Japan stammender Berichte zu neuropsychiatrischen Ereignissen, die über ein Jahr verfolgt worden waren. Als Folge muss in den USA in der Produktinformation von Tamiflu schon seit Ende 2006 auf Nebenwirkungen wie Selbstgefährdung und Verwirrung hingewiesen werden. Zudem wird dort auf die Notwendigkeit verwiesen, Patienten mit Influenza während der Behandlung auf bizarres Verhalten zu überwachen.

Die neuen Erkenntnisse aus Japan kommen für den Leiter des Instituts für Virologie an der Universitätsklinik Münster, Professor Stephan Ludwig, nicht überraschend: „Tamiflu wird in Japan bereits flächendeckend von den Menschen eingenommen. Entsprechend weit ist man dort natürlich mit den Erfahrungen bei den Nebenwirkungen.“

Dass Tamiflu erhebliche Nebenwirkungen hat, sei auch ohne die jüngsten Erkenntnisse aus Fernost bekannt. So verweise der Hersteller in der deutschen Packungsbeilage unter anderem auf „Übelkeit und Erbrechen“ als häufige Nebenwirkung. Die Palette möglicher Nebenwirkungen reiche – so der Beipackzettel – zudem von allergischen Hautreaktionen bis zu Leberfunktionsstörungen.

Ende März ordnete die Europäische Arzneimittelbehörde (EMEA) zudem an, dass der Beipackzettel künftig wie in den USA auch auf mögliche Verhaltensstörungen, Halluzinationen und Delirium hinweisen müsse. Patienten, insbesondere Kinder und Heranwachsende, die Tamiflu erhalten haben, sollen unter Beobachtung bleiben.

Weil sich davon abgesehen zunehmend Resistenzwirkungen gegen Tamiflu nachweisen lassen, empfiehlt Professor Ludwig die verstärkte Erforschung alternativer Wirkstoffe. Er selbst habe zusammen mit dem Friedrich-Löffler-Institut in Tübingen sowie der Charité Berlin „sehr viel versprechende Ergebnisse“ mit dem rein pflanzlichen Infektblocker Cystus 052 erzielt. „Sich allein auf Tamiflu zu verlassen“, so Ludwig, „halte ich aus medizinischer Sicht für verantwortungslos.“ KLAUS HILKMANN