Absolutes von Planet Lena

über die Grenzen der Lovelyness

JAN FEDDERSEN

Ist es jetzt nicht einmal genug mit dem Niederschreiben von Lena Meyer-Landrut, all der Krümeleien von Spiegel und Stern? Dass sie nur noch nerve? Muss nicht Schluss sein mit dem Übelnehmen, nur weil sie am Ende dieser Woche abermals den Eurovision Song Contest gewinnen will? Sagt es nicht mehr über Journalisten aus, die ebendies schreibend behaupten – dass sie irgendwie hoffen, eine wie „Lovely Lena“ (wie sie noch vor einem Jahr in Oslo wörtlich gekost wurde) werde noch auf dem Boden der Tatsachen aufprallen?

Aber was sind diese Tatsachen? Hier in Düsseldorf, nach der ersten Probe in der Arena, beim Empfang des hörbar um englische Vokabeln ringenden Bürgermeisters Dirk („Dörk“) Elbers, da schien sie so ausgewogen. Sie würde „absolut“ zustimmen vermutlich. Und dieses Wörtlein ist wahrscheinlich der wichtigste Unterschied zwischen ihrem Heute und ihrem Gestern: Lena sagt dauernd „absolut“. Sie nutzte diese Vokabel gar bei der Pressekonferenz, zu der sie Apfelkuchen gebacken hatte. So beantwortete sie die Frage, ob sie selbst das Gebäck gefertigt habe, mit „absolut“.

Lena, mit anderen Worten, wirkt unangreifbar. Mich freut das. Sie scheint nicht empfänglich für böse Worte, die man ihr versucht von der Seite aus anzukleben. Lena ist ihr eigener Planet, fantasiere ich, sie wäre die ideale Rollenbesetzung als Tochter, die ihren eigenen Sinn kultiviert hat.

Einen Fan, der es mit Lichtbild in die Bild-Zeitung geschafft hat, weist sie zurück, als er sie von jenseits der Sperre auf dem roten Teppich des Bürgermeisterempfangs anquatscht: „Hey, Lena, gib mir mal ’n Autogramm, ich bin in der Bild!“ Die 19-Jährige wendet sich kühl ab und ist plötzlich so gar nicht lovely.

Es sind Szenen wie diese, die für sie einnehmen lassen. Ohne royales Getue ist sie huldvoll, wirkt nahbar – und weiß doch, wo jene Schmutzfinken sind, die nun wirklich unter ihrem Niveau sind. Sie gefällt immer noch.

■ Der Autor ist taz-Redakteur, verfolgt den Grand Prix seit seiner Kindheit und hat mehrere Bücher über ihn geschrieben. Er bloggt und arbeitet auch frei für den ESC-Sender NDR. eurovision.blog.ndr.de