AUSGEHEN UND RUMSTEHEN VON JURI STERNBURGBESSER DEN ÜBERBLICK ZU BEHALTEN, WORÜBER, IST ERST MAL ZWEITRANGIG
: Der eigene, richtige falsche Name

Der Pförtner des Radiosenders bleibt stur. „Einen Herrn Sternburg habe ich aber nicht auf der Liste, nur einen Herrn Sternberg!“ Die Frage, ob ich aufgrund eines falschen Buchstabens meinen Rückzug antreten soll, beantwortet er jedoch nur halbherzig. Die Wahrscheinlichkeit, dass sowohl ein Juri Sternburg als auch ein Juri Sternberg eingeladen worden sind, ist natürlich gering, aber die Wahrscheinlichkeit gibt es nun mal.

Der Ingenieur Robert Faid aus Greenville zum Beispiel errechnete 1993, dass Michail Gorbatschow mit einer exakten Wahrscheinlichkeit von 710.609.175.188.282.000 zu 1 der Antichrist ist. So viel zum Thema Wahrscheinlichkeit. Vielleicht hat sich aber auch die Geschichte von der HATE-Magazin-Party in der „Wilden Renate“ herumgesprochen, bei der mein eloquenter und trotz der hier nun folgenden Dinge äußerst liebenswerte Freund Franko dank meines Gästelistenplatzes am Türsteher vorbeikam, dann auch noch freundlich Hände schüttelte und sich für „seinen“ Text loben ließ.

Dies führte wiederum dazu, dass ich – als ich zu später Stunde ebenfalls eintraf – erstens eine Viertelstunde mit der Kassendame diskutieren musste, zweitens die ersten Zeilen meines Textes rezitieren musste, um für glaubwürdig befunden zu werden, und schließlich von der geschätzten Kollegin Laura Ewert mit einem freundlichen „Nein, bist du nicht, mit dem hab ich nämlich gerade geredet!“ begrüßt wurde, nachdem ich mich vorgestellt hatte.

Der Pförtner denkt wohl immer noch nach, zumindest starrt er weiter auf den Besucherschein, als würde sich das „e“ in meinem Namen urplötzlich in ein „u“ transformieren. Endlich klemmt er sich den Telefonhörer zwischen die Schulter und den abnormal wulstigen Schädel und fragt in der Redaktion nach. Dort weiß man nicht genau, welche Version des Namens richtig ist, und schlägt vor, dass ich erst mal in der Vorhalle warte. Hier müssen Köpfe rollen, so viel ist klar, und der des Pförtners ist schön rund. Während ich mir also vorstelle, wie ich mit der Birne des Pfortenbewachers ein ums andere Mal alle Neune beim Kegeln abräume, darf ich die Miniaturversion des Gebäudes, in dem ich mich befinde, in einer Glasvitrine bestaunen. Ein Konterbier würde mir gut tun.

Eigentlich sollte dieses Wochenende ein alkoholfreies werden, denn dadurch spart man erstens Geld, zweitens Gehirnzellen und drittens behält man besser den Überblick, worüber, sei jetzt erst mal zweitrangig. Anscheinend lässt aber auch die Kreativität nach. Anders kann ich mir nicht erklären, dass ich gestern Abend einer charmanten Tresenkraft vorschlug, sie auf einen Drink einzuladen. Bescheuerter wäre nur noch gewesen, sie zu fragen, ob sie öfters hier wäre. Als Dauergast vor und hinter dem Tresen sollte ich eigentlich wissen, wie es wirkt, wenn man dem Barkeeper ein Glas seines eigenen Gesöffs kredenzen möchte.

„Nein danke, ich muss noch arbeiten!“, antwortet sie folgerichtig. „Und bis wann?“ Versuchen kann man es ja mal, denk ich mir, auch das muss am akuten Alkoholmangel liegen. „Ungefähr bis 65“, sagt sie und wendet sich einem anderen Kunden zu. Natürlich ist mir klar, dass ich mir Sorgen machen sollte, schließlich darf Eloquenz und gute Laune auf keinen Fall mit dem Konsum von lustigen Getränken zusammenhängen. (Den letzten Satz können Sie getrost in die Tonne treten, er steht dort einzig und allein, um meine Mutter nicht noch mehr zu beunruhigen). Der Pförtner beobachtet mich immer noch mit Argusaugen. Ich könnte ja die Miniaturversion des Gebäudes entwenden, und die wurde dem Sender immerhin von einem französischen Radiochef geschenkt, wie auf einem kleinen Metallschild zu lesen ist. Endlich kommt ein Redakteur. „Guten Tag, Herr Sternberg, dann folgen Sie mir mal!“ Der Pförtner nickt triumphierend und ich ergebe mich, Namen sind auch nur Schall und Rauch.