Residenzpflicht – Invisible Borders

Die Residenzpflicht schränkt die Bewegungsfreiheit tausender Flüchtlinge ein. Mit einer Wanderausstellung soll die Öffentlichkeit über das Schicksal der Betroffenen aufgeklärt werden

■ Die Ausstellung dokumentiert anhand von Modellen, Plänen, Texten, Fotografien und einem kurzen Film die durch die Residenzpflicht produzierten Grenzen, aber auch Strategien des Widerstands, sie zu überwinden.

Wann? 9. Mai – 27. Mai 2011

Wo? Luckenwalde bei Berlin, im Kreishaus, Am Nuthefließ 2

Im Netz: www.invisibleborders.de

Hinterm See ist Schluss. Für Flüchtlinge im Asylverfahren oder im Status der Duldung existieren in Deutschland Grenzen, die für viele andere nicht sichtbar sind. Für sie gelten das Asylverfahrens- und das Aufenthaltsgesetz, nach dem AsylbewerberInnen und Geduldete den Landkreis beziehungsweise das Bundesland der für sie zuständigen Ausländerbehörde nicht verlassen dürfen. Laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge waren Ende 2009 knapp 124.000 Menschen von den Gesetzen betroffen, die auch als „Residenzpflicht“ bezeichnet werden. „Das Schlimme an der Residenzpflicht ist, dass viele Menschen gar nicht wissen, dass es sie gibt. Deshalb ist es sehr wichtig, die Öffentlichkeit aufzuklären“, erklärte Karolin Behlert, Sprecherin der Wanderausstellung „Residenzpflicht – Invisible Borders“, in einem Gespräch mit der taz.

Genau an diesem Punkt setzt die Ausstellung „Residenzpflicht – Invisible Borders“ an. Mithilfe der Ausstellung möchte die Initiative darstellen, welche Grenzen sich im Alltag der in Deutschland lebenden Flüchtlinge auftun. Es wird die Frage gestellt, wie diese Grenzen entstehen,wie sie wahrgenommen und wie sie überwunden werden können. Anhand von Modellen, Plänen, Texten, Fotografien und Kurzfilmen soll die Problematik dokumentiert werden. Dabei kommen diejenigen zu Wort, die von der Residenzpflicht betroffen sind. Seit dem 9. Mai ist die Ausstellung in Luckenwalde im Foyer des Kreishauses vor dem Eingang der Ausländerbehörde zu sehen. Zuvor wurde sie bereits in Bielefeld, Frankfurt am Main, Stuttgart, Köln, Cottbus, Frankfurt an der Oder und Berlin gezeigt.

Die Geschichte der Ausstellung ist äußerst turbulent. Sie beginnt im Sommer 2009, als Philipp Kuebart die Vorgängerausstellung für seine Diplomarbeit konzipierte. Ursprünglich war sie in Berlin, Potsdam und Hannover zu sehen und sollte dann in Zossen im Haus der Demokratie aufgebaut werden. Als Neonazis aber Ende Januar das Haus der Demokratie in Zossen in Brand setzten, wurden die Ausstellungsobjekte vollständig zerstört. Die Ausstellung wurde neu konzipiert: neue Elemente kamen hinzu, die Ausstellung wurde zu einer Wanderausstellung. Bei dem Neubau und der Erstellung neuer Inhalte arbeiteten AktivistInnen, Flüchtlinge und Flüchtlingsorganisationen zusammen. Die Produktionsschule des Evangelischen Jugendwerks Teltow-Fläming in Ludwigsfelde führte die Holz- und Stahlarbeiten aus, während in Berlin die Modelle und Ausstellungstafeln entstanden. Am 10. Juni 2010 konnte die Ausstellung im Berliner Haus der Demokratie und Menschenrechte endlich eröffnet werden. „Das Resultat ist durch den vielen Input um einiges umfangreicher geworden“, resümierte Behlert.

Tatsächlich setzt sich die Ausstellung auf vielfältige Weise mit der Problematik der Residenzpflicht auseinander: Drei Flüchtlingsheime in Brandenburg sind für die Ausstellung als Modelle nachgebaut worden. Die beigefügten Karten zeigen, dass sich die Heime in der Regel am Rand oder gar außerhalb einer Ortschaft befinden. Die Initiative Refugees Emancipation erläutert in einem ebenfalls zu den Modellen gehörenden Interview, wie sie es geschafft hat, die Grenzen in Luckenwalde ein Stück weit zu durchbrechen. Die Initiative richtete in einem Raum des Flüchtlingsheims ein Internetcafé ein, in dem sich die BewohnerInnen weiterbilden können.

Am Beispiel von Berlin wird durch Modelle und Zitate von Flüchtlingen dargestellt, welche Auswirkungen Personenkontrollen an öffentlichen Plätzen und Bahnhöfen auf Flüchtlinge haben, die sich ohne die Erlaubnis ihrer Ausländerbehörde in einer Großstadt aufhalten. „Bei manchen Flüchtlingen löst die ständige Repression psychische Krankheiten aus“, kommentierte die Aktivistin Karolin Behlert.

In einem zehnminütigen Kurzfilm konfrontierte eine Arbeitsgruppe von Invisible Borders PassantInnen zwischen Berlin und dem Landkreis Oberhavel damit, dass sie in Zukunft jedes Verlassen ihres Landkreises bei den Behörden beantragen müssen. „Die Leute haben die Residenzpflicht natürlich abgelehnt. Schockierend war nur, dass die meisten Befragten es für harmlos ansahen, dass Flüchtlinge von den Konsequenzen einer solchen Regelung real betroffen sind“, weiß Karolin Behlert zu berichten. Im Rahmen der Ausstellung findet am 20. Mai auf dem Gelände des Übergangswohnheims ein Familienfest mit einer anschließenden Diskussionsrunde statt, an der auch der Leiter des Heims in Luckenwalde teilnehmen wird. Auch dort soll über den Unsinn des repressiven Gesetzes diskutiert werden. Die Gruppe erhofft sich, mit der Ausstellung möglichst viele Menschen zu erreichen und dazu beizutragen, dass bei den Verantwortlichen ein Umdenken einsetzt, damit sich in Deutschland bald alle Menschen frei bewegen können. LUKAS DUBRO