Der letzte Erntehelfer

Verzweifelte Bauern: Die Erdbeerpflücker aus Osteuropa meiden neuerdings unser Dumpinglohnland NRW

Sie waren fleißig und vor allem billig – doch jetzt bleiben sie weg. Ausländische, meist osteuropäische Saisonarbeiter helfen nicht mehr so gerne in der NRW-Landwirtschaft aus. Kurz vor Beginn der Spargel- und Erdbeerernte vermissen die heimischen Bauern ihre Hilfskräfte aus Polen. „In anderen Ländern wie Großbritannien verdienen sie das Doppelte“, klagt der Sprecher des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes, Hans-Heinrich Berghorn.

Kein Wunder, dass die einst so willigen Helfer ausbleiben. Sie werden in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Staaten lausig bezahlt. Eine Erhöhung des Stundenlohns von derzeit 5,17 Euro rechne sich wegen der hohen Abgaben für die polnische Sozialversicherung nicht, sagt Bauernsprecher Berghorn.

5 Euro und 17 Cent. In vielen Mitgliedsländern der Gemeinschaft liegt dieser Dumpinglohn unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns – doch den gibt es in der Bundesrepublik nicht. Die Folge der rückständigen Gesetzgebung hierzulande: „Neben Großbritannien gehen viele polnische Arbeiter nach Dänemark“, sagt Sprecherin Diana Appelhoff von der Landesarbeitsagentur in Düsseldorf. Dort liege der Lohn bei rund 14 Euro. Auch die Beneluxländer sind beliebter als Westfalen. Die Zahl der Zulassungen für ausländische Erntehelfer an Rhein und Ruhr sank demzufolge – trotz warmer Witterung – von 22.300 auf 16.500 im Vergleich zum Vorjahr.

Einige Farmer versuchen nun, Engpässe mit Maschinen auszugleichen. „Dafür sind aber sechsstellige Investitionen nötig, die nicht alle stemmen können“, sagt Landwirte-Chef Berghorn. Andere Bauern versuchten es mit rumänischen Arbeitern, die jedoch nicht so gut eingearbeitet seien.

Wenn weder Polen noch Rumänen sich ausbeuten lassen wollen, müssen teilweise deutsche Arbeitslose ran. Wenn diese die Erntearbeit abbrechen oder sie gar nicht erst antreten, müssen mit einer Kürzung ihrer staatlichen Unterstützung rechnen. Das besagt eine neue Weisung der Bundesagentur für Arbeit (BA) an die Arbeitsagenturen. Diese „ganz normale Sanktionsmöglichkeit“ bestehe schon länger, sei aber erst in diesem Jahr explizit in die betreffende Arbeitshilfe zur Saisonbeschäftigung in der Landwirtschaft aufgenommen worden, sagte jetzt eine BA-Sprecherin. „Ganz normal“ finden es die Bürokraten in Nürnberg, wenn Erwerbslose auf die Felder gezwungen werden.

MARTIN TEIGELER