Besaufen plus Disco

Über teure Finnenaugen

JAN FEDDERSEN

Aufmerksamkeit zu erlangen ist das Allerschwierigste beim Eurovision Song Contest. Kein Land, das nicht versucht, das Interesse der Journalisten und Fans zu erzielen. Das geschieht in Form von Partys, die im Euroclub gegeben werden – Georgien, die Türkei oder San Marino waren so freigebig, diese faktisch auf Besäufnisse plus Disco hinauslaufenden Events im Quartier Bohème an der Ratinger Straße zu veranstalten. Das ist teuer, aber Geld auszugeben dient einem Zweck, wenn dies der PR dient.

Finnland hingegen wählte einen anderen Weg – und der führte auf die „MS Warsteiner“ und auf den Rhein. Die Botschaft in Berlin schickte einen Menschen nach Düsseldorf, der warme Worte für Paradise Oskar fand, den 20-jährigen Schwedofinnen aus Helsinki, der aussieht wie eine männliche Nicole. „Da da dam“ heißt sein Titel – und er haucht ihn zur Wandergitarre so modern männlich und sanft ins Mikrofon, dass den Zuhörenden ganz mitweinerlich wurde.

Er hat im Grunde alles, was Männer im Liedergewerbe heute so nötig haben, um als cool zu gelten, etwa wie Jack Johnson, James Blunt oder Clueso. Das war alles fein und gut, er schaute aus seinen rehwaidwunden Augen, wie es sich gehört, will man einen weltverbessernden Text glaubhaft verkörpern.

Allein: Die Schiffstour, die geschätzt 8.000 Euro kostete, war bestückt mit etwa 40 Fans, die nichts als ihr Fan-Dasein lebten, solche aus Finnland, der Schweiz oder Deutschland. Und dann saßen da noch drei deutsche Journalisten, aber keine sonst aus anderen Ländern. Der promotionelle Zweck wurde also, darf man sagen, verfehlt: Was für eine missliche Bilanz nach zwei Stunde Schipperei auf dem trägen Rhein in hochsommerlicher Luft.

Eventuell wird man nie wieder von ihm hören, von Paradise Oskar, wie Axel Ehnström sich künstlerisch nennt: Heute muss er sich im ersten Halbfinale des ESC (21 Uhr, Pro7 live) behaupten. Er träumt in seiner Bühnenkulisse – ein strahlender Erdball, unschuldig und kostbar – von was auch immer: Dieser Finne ist so zeitgenössisch, wie Liedermacherkultur nur sein kann. Sympathisch, dieser Mann. Und kostspielig!

■ Der Autor ist taz-Redakteur, verfolgt den Grand Prix seit seiner Kindheit und hat mehrere Bücher darüber geschrieben. Er bloggt und arbeitet auch frei für den ESC-Sender NDR