Neue Keule im Stuttgarter Kriegsverbrecherprozess

PROZESS Verteidigung will das Völkerstrafgesetzbuch von 2002 für verfassungswidrig erklären lassen

AUS STUTTGART DOMINIC JOHNSON

Im Stuttgarter Kriegsverbrecherprozess gegen die beiden Führer der im Kongo kämpfenden ruandischen Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) will die Verteidigung jetzt das Verfahren von höchster Stelle kippen lassen. Die Anwälte des FDLR-Präsidenten Ignace Murwanashyaka kündigten am Montag ein Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht an, um zu klären, ob das Völkerstrafgesetzbuch, auf dessen Grundlage dieser Prozess geführt wird, überhaupt verfassungsgemäß ist. In der Zwischenzeit solle das Verfahren in Stuttgart ausgesetzt und die Angeklagten aus der U-Haft entlassen werden.

Das deutsche Völkerstrafgesetzbuch aus dem Jahr 2002, das die Strafverfolgung von Kriegsverbrechen weltweit durch die deutsche Justiz regelt, übernimmt das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IstGH) in Den Haag in deutsches Recht und kommt jetzt im Prozess gegen die FDLR-Milizenführer zum ersten Mal zur Anwendung. Die Anwälte von Murwanashyaka behaupten, dieses Gesetz verstoße gegen das im Grundgesetz festgelegte Verbot der Strafbegründung durch Gewohnheitsrecht. So sei nicht ausgeführt, was genau mit „völkerrechtswidrig“ oder „humanitäres Völkerrecht“ gemeint sei. Die Bundesanwaltschaft nimmt in ihrer Anklage gegen Murwanashyaka und seinen Stellvertreter Straton Musoni mehrfach Bezug auf Verbrechen gegen „nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen“ gemäß dem Völkerstrafgesetzbuch. Weiter sind beide FDLR-Führer unter Paragraf 129a des Strafgesetzbuches der Rädelsführerschaft beziehungsweise Mitgliedschaft in einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“ angeklagt.

Um der Bundesanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, vertagte Richter Hettich das Verfahren auf Mittwoch. Dass er dem Antrag stattgibt, gilt als unwahrscheinlich, denn dafür müsste er selbst förmlich die Unvereinbarkeit des Völkerstrafgesetzbuchs mit dem Grundgesetz feststellen und dann Karlsruhe zur Klärung anrufen. Bisher hat Richter Hettich alle Anträge der Verteidigung abgelehnt, zuletzt die Genehmigung eines Laptops im Gerichtssaal für Ignace Murwanashyaka.