SVEN HANSEN ÜBER DAS INDISCH-CHINESISCHE VERHÄLTNIS
: Versuch der Normalisierung

Ist das der Neubeginn einer verkorksten Beziehung? Indiens Premierminister Narendra Modi und Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping sitzen im westindischen Ahmedabad einträchtig auf einer Bollywoodschaukel am Ufer des Flusses Sabarmuti und schauen in den Sonnenuntergang. So idyllisch begann der erste Besuch eines chinesischen Präsidenten beim Nachbarn seit acht Jahren. Dass es erst der dritte solche Besuch überhaupt ist, zeigt, dass er längst überfällig war. Tibeter und Pakistaner mögen es anders sehen, aber wenn Indien und China ihren Austausch vertiefen und Handel wie Investitionen bilateral verstärken, wächst nicht nur ihr Wohlstand, sondern reduziert dies auch die Spannungen zwischen den beiden Atommächten.

Natürlich ist jetzt auch viel Show und wohlfeile Rhetorik dabei – wie etwa Xis Worte von der Kombination von „Chinas Energie und Indiens Weisheit“. Schon früher kursierte der Begriff Chindia, der eine Kombination von Chinas Hard- mit Indiens Software propagierte. Modi nennt das jetzt lieber INCH, denn er will nicht die zweite Geige spielen. Aber warum sollten die bevölkerungsreichsten Staaten nicht stärker kooperieren? Es entspricht ihrem Potenzial und es ist zu wünschen, dass die Realität einer multipolaren Welt sich dem nähert.

Der Weg ist noch weit. Denn beide Großmächte bleiben strategische Rivalen, die sich nicht nur argwöhnisch beobachten, sondern auch gegeneinander aufrüsten und ihren jeweiligen Einfluss bei den Nachbarn des anderen zu vergrößern suchen. Die ungelösten Grenzprobleme im Himalaja machen sogar während des jetzigen Treffens Schlagzeilen. So ist das denn jetzt auch nicht der Beginn einer neuen Liebe, sondern der endlich unternommene pragmatische Versuch der Normalisierung eines schwierigen Verhältnisses.

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