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: Grundkurs Zweitverwertung

Sat.1 wiederholt die Wiederholungen seiner Service-Beiträge jetzt auch im Internet und nennt das „neuartig“ und „wegweisend“

Als freier Journalist kann man von Sat.1 vieles für seine tägliche Arbeit lernen. Wer aufmerksam durch das Programm zappt, kann sich nachher bedenkenlos den Grundkurs Zweitverwertung sparen. Darin ist Sat.1 nämlich unschlagbar. Wenn bei „Blitz“ im Dezember ein Beitrag über ein Open-Air-Festival aus dem August läuft, bei dem im Hintergrund die Bäume noch alle ihre Blätter haben, zuckt in der Redaktion niemand mit der Wimper. Bei Bedarf werden Filmchen wiederholt, die schon jahrelang im Archiv gelegen haben. Und wenn „Blitz“ den RTL-Erfolg „Bauer sucht Frau“ als „Landwirt sucht Liebe“ kopiert, versteht es sich von selbst, dass das eine Woche später noch einmal im Frühstücksfernsehen gezeigt wird. Nur die Moderatorinnen müssen so tun, als habe der arme Landwirt seine große Sat.1-Liebe noch nicht gefunden.

Seit dieser Woche gibt es das neue Sat.1-Videoportal www.hausgemacht.tv, eine Website, auf der Clips abgerufen werden können, in denen einem all das beigebracht wird, was die Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten verbummelt hat, an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben, weil es viel leichter war, die Kinder vor den Fernseher zu setzen.

Hausgemacht.tv, das von den Machern „neuartig“ und „wegweisend“ genannt wird, beantwortet viele spannende Fragen: Wie nähe ich einen Knopf an? Wie säubere ich meinen Trinkwassersprudler? Wie werde ich meine Knoblauchfahne los? Wie mache ich Milchschaum (Teil 1)? Wie mache ich Milchschaum (Teil 2)? Wie entsorge ich Hundekot? Ein schier unerschöpfliches Archiv für die Probleme des Alltags. Und die Nutzer können eigene Videos hochladen. Sat.1-Marketing-Leiter Konrad Viehrig hat es per Pressemitteilung auf den Punkt gebracht: „Wir freuen uns, unsere Sat.1-Magazine konsequent mit den Partizipationsmöglichkeiten des Web 2.0 verlängern zu können.“ Übersetzt heißt das: Wir finden es klasse, die Beiträge aus „Sat.1 am Mittag“, in denen Zuschauer von Haushaltsexperten mit Ilona-Christen-Gedenkbrille die Kältezonen im Kühlschrank erklärt bekommen, jetzt endlich auch im Internet wiederholen zu können.

Wenn Sat.1 konsequent bleibt, müsste demnächst eine Videoplattform für Fernsehmacher starten, weil das Know-how der Berliner da ja auch riesig ist: Wie ruiniere ich mir meine Erfolgstelenovela? Einfach die Hauptdarstellerin gehen lassen und hoffen, dass die Fans trotzdem einschalten. Wie verwirre ich mein Publikum? Neue Serien dürfen nie dann starten, wenn sie in der Programmzeitschrift angekündigt sind. Wie entsorge ich fachgerecht meinen alten Sender-Claim? Indem er „auf den Prüfstand“ kommt. Und wie schrumpfe ich meine Informationsoffensive gesund? Einfach das Mittagsmagazin kürzen, verschieben und – ganz wichtig! – vorher alle interessanten Informationen entfernen.

Wenn dann bald nur noch zeitlos wiederverwertbare Service-Beiträge laufen, hat das sogar den angenehmen Nebeneffekt, ein Internetportal draus basteln zu können. Von Sat.1 kann man eben noch vieles lernen. PEER SCHADER