Ein Falke – im Liebesnest verheddert

Paul Wolfowitz, 63, konzentriert sich als Weltbankchef auf die Korruptionsbekämpfung. Für seine Geliebte aber machte er eine Ausnahme. Jetzt muss er um seinen Posten fürchten FOTO: REUTERS

Selten hat ein Politiker so schnell so viele Inkarnationen durchgemacht wie der derzeitige Weltbankpräsident Paul Wolfowitz. Gestartet ist der promovierte Politikwissenschaftler 2001 als stellvertretender Verteidigungsminister unter US-Präsident George Bush, wo er als neokonservativer Falke und Architekt des Irakkriegs von sich reden machte.

Als der Stern der Neocons in den USA zu sinken begann, ließ er sich 2005 an die Spitze der Weltbank hieven und mutierte dort zum eisernen Kämpfer gegen Korruption. Und nun ist der Mann, der seine helmartige graue Tolle mit reichlich Spucke hinkämmt, selbst zur Hauptfigur eines Skandals avanciert. Gegen seine Kritiker bei der Weltbank verteidigte ihn ein befreundeter Journalist einst, er habe ein „blutendes Herz“. Fragt sich nur, für wen Wolfowitz’ Herz am meisten blutet: für die Armen dieser Welt – oder für seine Geliebte, die saudischstämmige Britin Shaha Riza. Diese musste ihren Posten bei der Weltbank räumen, als Wolfowitz deren Präsident wurde, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Er vermittelte ihr einen neuen Job im US-Außenministerium – und eine Gehaltserhöhung um 45 Prozent. Das ist doppelt so viel, wie nach Weltbankregeln möglich wäre. Bezahlt wird das Jahresgehalt von 193.000 US-Dollar – mehr, als Außenministerin Condoleezza Rice selbst verdient – weiter von der Weltbank.

Erst vergangene Woche wurden entsprechende interne E-Mails des Weltbank-Personalrats publik. Wohl zu Recht vermutet Wolfowitz undichte Stellen in der Weltbank, wo er wenig beliebt ist. Zunächst verteidigte er sich damit, Verwaltungs- und Ethikrat hätten die Gehaltserhöhung abgesegnet. Wie wenige Freunde er in der Bank hat, zeigte sich, als man ihm dort öffentlich widersprach. Am Donnerstag räumte Wolfowitz vor den versammelten Mitarbeitern Fehler ein und entschuldigte sich. Die aber reagierten mit Buhrufen und lauten Rücktrittsforderungen. Längst sind sie entnervt von den Alleingängen ihres Chefs. Der setzt öfter mal Hilfszahlungen an Entwicklungsländer aufgrund von Korruptionsvorwürfen aus, ohne die zuständigen Mitarbeiter oder die Exekutivdirektoren zu konsultieren.

Die 24 Direktoren, die die Weltbank-Mitgliedsstaaten vertreten, hatten Wolfowitz erst letzten Monat zu mehr Konsultationen verpflichtet. Jetzt traten sie erneut eilig zusammen. Schließlich findet ausgerechnet dieses Wochenende die Frühjahrstagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds statt. Und es wird Fragen zu Wolfwowitz’ Gebaren geben – selbst wenn eine Rücktrittsaufforderung ausbleibt. Wolfowitz’ Fesseln dürften enger werden. NICOLA LIEBERT