Diese netten fünf Portugiesen

über die Freude am Kampf

JAN FEDDERSEN

Wenn dieser Text erscheint, könnten sie sich bereits aus Düsseldorf verabschiedet haben. Vielleicht sind „Homens da luta“, Menschen des Kampfes, bereits gestern Abend im ersten Halbfinale des Eurovision Song Contest ausgeschieden. Das wäre schade. Sie performen ein Lied, das sie „Luta é alegria“ nennen, was bedeutet: Der Kampf ist Freude.

Das klingt zunächst nach schwerverdaulicher Agitpropfolklore. Die Truppe ist aber extrem nett. Drei Männer, zwei Frauen – die aus Portugals Comedy-Szene stammen und im Frühjahr mit Hilfe des Internets alle Schnulzenkonkurrenz um das Ticket für Düsseldorf aus dem Weg schlugen. Das Quintett mit den Brüdern Neto und Falancio an der Spitze hat sich nostalgisch gewandet: Sie verkörpern quasi lebende Zitate der Nelkenrevolution von 1974.

Die eine sieht aus wie eine Bäuerin, die andere wie eine Studentin, der eine gibt den Einwanderer aus portugiesischen Kolonien – und die beiden anderen einen demokratischen Militär und einen Politfunktionär. Was sie singen, ist weit von kommunistischer Propaganda entfernt – aber dennoch geben sie die Wiedergänger einer politischen Kultur, deren Codes auf Revolution und Rebellion zugespitzt waren.

Neto Duarte sagte beim Bürgermeisterempfang: Wir haben Freude – und wir wollen sie weitergeben. Politischer Kampf sei nicht anstrengend – sondern mache Vergnügen, gerade in Zeiten der Krise von heute.

Die Frage aber musste ja an die Musikanten lauten: Nehmt ihr euch selbst ernst? Oder ist, was sie auf der Eurovisionsbühne gestern Abend boten, nur zynisches Geplänkel? Neto Duarte aber sagt, ketterauchend: In Deutschland wird vielleicht nichts mehr für wahr genommen – aber wir singen von der Wahrheit, wir glauben daran, dass Demonstrationen gegen die Krise gut sind. Dass man auf sich aufmerksam machen muss.

Ja, überlegte ich, vermutlich bin ich schon so deutsch-linksradikal verdorben, dass man alles, was Spaß macht und ans Herz geht, für uneigentlich, entfremdet und unpolitisch hält. Nein, ich wünschte, dieser Text erscheint – und Homens da luta haben sich für das Finale am Samstag qualifiziert. Ihre Art von HipHop im altmodischen Tejo-Style, der war cool, als Duarte Mendes’ „Mandrugada“ und „Grandola vila morena“ von José Afonso die Schlager des Jahres 1974 waren. Krass, das!

■ Der Autor ist taz-Redakteur, verfolgt den Grand Prix seit seiner Kindheit und hat mehrere Bücher darüber geschrieben. Er bloggt und arbeitet auch frei für den ESC-Sender NDR