Hamburg, das Tor nach rechts

Hamburg ist das West-Bundesland mit den meisten rechtsextremen Straftaten pro Einwohner. Seit 2003 hat sich die Zahl der Delikte verdreifacht, zugleich ist die Aufklärungsquote gesunken

von ELKE SPANNER

Rechtsextremismus ist kein reines Ost-Problem. Dass das rechte Gedankengut vor allem in den neuen Bundesländern zunehmend erstarkt, haben neue Zahlen aus Hamburg widerlegt: Die Anzahl rechts motivierter Straftaten ist in der Stadt im vergangenen Jahr um 40,4 Prozent gestiegen – seit 2003 hat sie sich verdreifacht. Das geht aus der Senatsantwort auf eine kleine Anfrage hervor, die die SPD-Fraktion gestern vorlegte. Deren innenpolitischer Sprecher Andreas Dressel mahnte beim Senat eine „behördenübergreifende Gesamtstrategie“ im Kampf gegen Rechts an, „damit die Wortergreifungsstrategie von Rechts nicht aufgeht und uns die Schande einer rechtsextremen Partei in der Bürgerschaft im nächsten Jahr erspart bleibt“.

Im Jahr 2003 hat die Polizei in Hamburg 139 rechtsextreme Straftaten registriert. Voriges Jahr ist die Zahl auf 400 angestiegen. Damit nimmt die Elbmetropole unter den westlichen Bundesländern die traurige Spitzenposition ein. Bundesweit steht die Hansestadt an vierter Stelle hinter Berlin, Brandenburg und Sachsen.

Dass die Zahl rechter Straftaten ansteigt, hat sich schon länger abgezeichnet. Der Senat hat das in der Vergangenheit nicht mit einem tatsächlichen Anwachsen der rechten Szene erklärt, sondern mit einem veränderten Anzeigeverhalten der Bevölkerung. Die Menschen seien für derartige Delikte inzwischen stärker sensibilisiert, so dass sie sie frühzeitiger der Polizei meldeten. Ein weiterer Grund für das Anschwellen der Statistik sei eine überproportionale Steigerung der Propagandadelikte wie Hakenkreuz-Schmierereien oder Veröffentlichungen in Publikationen oder Internet.

Dressel hingegen sagte gestern: „Wer die dramatischen Zunahmen nur auf ein paar Hakenkreuz-Schmierereien schiebt, verharmlost die Entwicklung.“ Dabei schneidet auch die Arbeit der Polizei nicht allzu gut ab: Parallel zum Anstieg der rechten Taten ist die Quote der Fälle, die aufgeklärt werden konnten, gesunken. Im Jahr 2006 wurden 32 Prozent der rechten Straftaten aufgeklärt, 2005 waren es immerhin noch 39,8 Prozent gewesen. „Die Aufklärungsquote kann nicht zufrieden stellen“, sagte Dressel. Er findet es lediglich tröstlich, dass sie bei Gewaltdelikten etwas höher liegt als beispielsweise bei Hakenkreuz-Schmierereien: 79 Prozent der rechten Gewalttaten hat die Polizei im vorigen Jahr aufgeklärt. Doch auch hier ist die Entwicklung nicht rühmlich für die Polizei: 2005 waren es noch 90 Prozent aller rechten Gewalttäter, die überführt werden konnten.

Ende März hatte das Bundesinnenministerium bundesweite Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität vorgelegt. Dabei hatte sich herausgestellt, dass die meisten rechtsextremen Taten von 18- bis 20-Jährigen begangen werden. Das sieht in Hamburg etwas anders aus: Aus der Senatsantwort auf die SPD-Anfrage geht hervor, dass die meisten rechten Täter über 25 Jahre alt sind.