Rücktritt in Polen

Strikte Abtreibungsgegner erleiden eine Niederlage. Parlamentspräsident verlässt die Regierungspartei

WARSCHAU dpa/ap ■ Einen Tag nach dem gescheiterten Versuch, durch eine Verfassungsänderung das Abtreibungsrecht in Polen zu verschärfen, hat Parlamentspräsident Marek Jurek am Samstag die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) verlassen. Jurek, der bereits am Freitagabend seinen Rücktritt als Parlamentspräsident angekündigt hatte, gab am Samstag bei einer Sitzung der Parteispitze alle seine Parteiämter ab.

Zusammen mit Jurek verließ eine Gruppe von etwa zehn hohen PiS-Funktionären die Sitzung. Noch ist nicht bekannt, ob auch sie ihre Parteibücher zurückgeben. Nach der Entscheidung Jureks, auch die Partei zu verlassen, wird nun über einen möglichen Zerfall der PiS spekuliert. Es wird nicht ausgeschlossen, dass Jurek eine neue rechtskonservative Partei gründen will.

Jurek hatte sich für eine Verfassungsänderung eingesetzt, die den Schutz menschlichen Lebens „von der Empfängnis an“ garantieren sollte. Seinen Austritt aus der PiS begründete er am Samstag mit mangelnder Unterstützung in der eigenen Partei für das Projekt. Er wolle die Regierung auch weiterhin im Parlament unterstützen, sagte er und kündigte an, in der kommenden Woche über seine künftige politische Arbeit informieren zu wollen.

Ministerpräsident Jarosław Kaczyński, der auch der Vorsitzende der PiS ist, bedauerte Jureks Entscheidung. Er hoffe, dass sie noch nicht endgültig sei, sagte er in Warschau. Auch der PiS-Generalsekretär Joachim Brudziński hoffte am Sonntag auf eine Rückkehr Jureks.

Bei der Anstimmung am Freitag ging es um eine Vorlage, nach der der Schutz des menschlichen Lebens vom Zeitpunkt der Empfängnis an in der Verfassung verankert werden sollte. Dafür stimmten 269 Abgeordnete, 27 weniger, als für die erforderliche Zweidrittelmehrheit notwendig gewesen wäre. 121 votierten dagegen, 53 enthielten sich. In Polen ist ein Schwangerschaftsabbruch nur bis zur zwölften Woche erlaubt, sofern das Leben der Mutter in Gefahr, der Fötus unheilbar geschädigt oder die Schwangerschaft eine Folge von Vergewaltigung oder Inzest ist.