Heimkehr ist auch keine Lösung

THEATER Mit einem amüsanten, aber keineswegs oberflächlichen Abend zeigt das Bremer Theaterlabor, was es kann. Und beweist, dass das Glück oft überbewertet wird

Vielleicht ist es nicht zuletzt das durch die Medien streunende Lebensglück, das manche Menschen per Vergleich zur eigenen Situation erst recht unglücklich macht

von Andreas Schnell

Es ist dem Theaterlabor und Patrick Schimanski zu danken für diesen Abend. Erstens, weil er leichterhand die Luft aus einem Thema lässt, das in den letzten Jahren eine eigenartige Karriere gemacht hat: Glück. Nicht als Wahrscheinlichkeit, sondern als Traum von der ewigen Saturiertheit. Zweitens, weil das anspielungsreiche, zitatbeladene, vielschichtige Konzept von Stück und Inszenierung so eindrucksvoll aufgeht.

Der Ausgangspunkt ist die allgemein wohlbekannte Fabel von Hans, der einen Klumpen Gold (so groß wie sein Kopf) gegen ein Pferd, dieses gegen eine Kuh, diese gegen ein Schwein, das gegen eine Gans und jene schließlich gegen ein paar Schleifsteine eintauscht, die er dann auch noch verliert. Mit nichts in den Händen kehrt er heim an den mütterlichen Herd. Und kommt sich vor, als hätte er alles richtig gemacht. Hat er nicht?

Eines abschließenden, eindeutigen Urteils enthält sich diese „soziopoetische Revue“ mit viel Musik. Zumindest die Möglichkeit wird durchaus in Betracht gezogen. Aber wie alle anderen Konzepte vom Glücklichwerden eigentlich auch gleich wieder zerlegt. Nichtmal Heimkommen ist eine Lösung.

Aber wir wollen nicht vorgreifen. Die Geschichte also vom eigenartigen Glücksritter ist der rote Faden, an dem entlang sich dieser Abend hangelt. Und an jeder Ecke (und manchmal auch öfter) entzündet sich gleich einem Feuerwerk ein kleiner Strauß Ideen, die mit unterschiedlichsten Mitteln entfaltet werden. Es wird gesungen, es wird mit wenigen mundgemachten Geräuschen eine Waldatmosphäre erzeugt, es gibt – wie ein Sample beinahe – eine wunderbare kleine Satire auf ein Beratungsgespräch zwischen Jungschauspielerin und Unternehmensberaterin, es gibt Projektionen, hinten, die gelegentlich verdoppeln, was im Bühnenraum, zwischen kahlen Bäumen geschieht, manchmal aber auch verschwommene Einblicke in einen Nebenraum zeigen. Es wird aus dem beliebten Chat-Kürzel LOL (für: „Laughing out loud“) ein Lied entwickelt. Es werden verschiedene, höchst gängige Antworten auf das Glücksproblem vorgestellt (der Gang in die Apotheke beispielsweise), es scheint aber auch auf, dass es vielleicht das stets durch die Unterhaltungsmedien streunende Lebensglück ist, das für manche Menschen im Abgleich mit der eigenen Lebenssituation erst recht zu gesteigertem Unglück führt. Und immer wieder wirft „Hans im Glück 20XI“ Schlaglichter auf die ökonomischen, kulturellen und ideellen Hintergründe, vor denen – und deretwegen wohl auch – die Glückssuche stattfindet.

Überhaupt das Sampling: Das Stück besteht nicht nur aus Grimm-Texten, sondern irgendwo tauchen darin auch Worte von Kafka und Kierkegaard, Poe und Zizek auf, die Musik kommt von Hollaender, Korngold, den Beatles und Patrick Schimanski. Unter anderem. Diese revuehafte Form, das Zersplitterte, Fragmentierte, Sprunghafte, das bis in den Text hineinwirkt, auch hier seine Verwirbelungen hinterlässt, ist gut für das Ensemble. Fast jedes Mitglied der vorwiegend weiblich besetzten Truppe bekommt hier Gelegenheit, sich ein bisschen zu profilieren, ohne dass es zu Lasten des Stücks oder der anderen ginge. Und diese Form erlaubt es den Theaterlaboranten auch, auf mehreren Feldern zu glänzen, zum Beispiel an Gitarre und Harmonium.

Am Ende wird Hans zum Hans Wurst, die Heimkehr, wie schon angedeutet, bringt nicht unbedingt, was er sich versprach – auch hier werden selbstverständlich verschiedene Modelle durchgespielt. Aber das schauen Sie sich am besten selbst an.

■ nächste Vorstellungen: Donnerstag & Freitag, 19.30 Uhr, Concordia