Der Türöffner

Auf den ersten Blick sind Chiqui, Kelly und Eva nichts anderes als drei junge Frauen aus Venezuela, die sich eine Wohnung an der Hamburger Reeperbahn teilen. Chiqui bewirbt sich bei einer Modelagentur, Kelly näht Kleidung und Eva ist auf der Suche nach einer Wohnung für sich alleine. Es wird gemeinsam gekocht und gemeinsam eingekauft. Wenn sie über ihr Äußeres nachdenken, zeigen sie sich die Freundinnen mitunter jene Silikonkissen, die der Brustvergrößerung dienen. Chiqui, Kelly und Eva haben einen entspannten Umgang damit. Denn die drei Freundinnen sind transsexuell, und das bedeutet: Sie sind Männer, die sich alle Mühe geben, wie Frauen auszusehen. Im Unterschied zu Transvestiten verkleiden sie sich nicht nur, sondern verändern ihre Körper – Haare, Haut, Fingernägel, Brüste, Lippen, alles soll aussehen wie bei sehr gepflegten Frauen. Lediglich der Penis bleibt so, wie er ist. Zu Hause sind die drei Frauen in einem Haus in der Hamburger Schmuckstrasse, in dem nur Transsexuelle aus Südamerika leben. Unten im Haus befindet sich eine Bar und um das Haus herum befindet sich der Hamburger Transen-Strich, auf dem viele der Hausbewohner arbeiten. Es ist eine Welt für sich, über die die Regisseure Rosa Baches und Dirk Manthey den Dokumentarfilm „Schmuck der Strasse“ gedreht haben, der heute im Abaton anläuft. Der Film erzählt aus dem Alltag der Bewohnerinnen des Schmuckstrassen-Hauses, das in der lateinamerikanischen Transsexuellen-Szene bekannt ist als eine zentrale Anlaufstelle in Europa. Für die Transsexuellen ist das Haus in Hamburg ein Ort, an dem sie frei leben und auf dem Strich Geld verdienen können. Der Strich aber spielt in „Schmuck der Strasse“ keine Rolle. Der Film interessiert sich für die Personen und ihr Leben – nicht für die Prostitution.Einen Kommentar oder einen Interviewer aus dem Off gibt es nicht, der Film gibt den Frauen maximalen Raum, von sich zu erzählen. „Ich bin nach Deutschland gekommen, um eine Frau zu werden“, sagt Kelly, die perspektivisch aussteigen möchte aus der Prostitution. Amaloa hat den Ausstieg schon hinter sich, sie hat sich komplett operieren lassen, hat geheiratet, wohnt in Italien und ist auf Besuch in der Schmuckstrasse. Eva empfindet sich als „mythologisches Wesen“, das weder Mann noch Frau ist, sondern beides – und insofern zu beneiden.„Schmuck der Strasse“ sucht nicht nach dem Spektakulären, sondern nach einer Begegnung auf Augenhöhe zu den Protagonistinnen. Nie geht es nur um das Exotische, sondern auch um das Normale im Alltag der Transsexuellen Südamerikaner. Damit macht der Film eine Welt zugänglich, die für den deutschen Normalbürger nicht zugänglich ist. Darüber hinaus sind die Regisseure Rosa Baches und Dirk Manthey zusammen mit ihren Protagonistinnen am 16. und 23. Mai bei der 20 Uhr-Vorstellung im Abaton zu Gast. Gut möglich, dass sich durch diesen Film eine Szene und eine Stadt kennenlernen – nach Jahren der kontaktlosen Koexistenz.KLAUS IRLER