Offenes Rennen

Morgen entscheidet die Uefa, wer die Fußball-EM 2012 ausrichten darf. Einen klaren Favoriten gibt es nicht

CARDIFF/BERLIN taz/dpa ■ Heute dürfen sie sich noch einmal vorstellen, die Bewerberverbände, die noch im Rennen sind im Wettbewerb um die Austragung der Fußballeuropameisterschaft 2012. Am Mittwoch fällt dann die Entscheidung. Die Wahl des Gastgebers der Europameisterschafts-Endrunde 2012 ist für die Europäische Fußball-Union (Uefa) offen wie selten zuvor. Italien, zu Beginn der Kampagne noch Favorit, werden bei der Vergabe durch die Uefa-Exekutive am Mittwoch im walisischen Cardiff wegen des Liga-Manipulationsskandals nicht mehr ganz so gute Chancen eingeräumt. Der permanente politische Machtkampf in der Ukraine belastet die gemeinsame Bewerbung mit Polen. So könnte es durchaus sein, dass sich nun die Bewerbung von Kroatien und Ungarn durchsetzt. Unproblematisch ist auch diese Bewerbung nicht. So sind die Fans der kroatischen Nationalmannschaft des Öfteren durch rassistische Kundgebungen auffällig geworden.

„Einen Favoriten gibt es nicht“, sagte der deutsche Uefa-Vizepräsident Gerhard Mayer-Vorfelder vor der Entscheidung des 14-köpfigen Exekutivkomitees. Eines jedenfalls spricht für die gemeinsame Bewerbung von Polen und Ungarn. Seit 1960 das erste Mal der Titel eines Fußballeuropameisters in Frankreich vergeben wurde, ist keine Endrunde in Osteuropa ausgetragen worden. Friedensnobelpreisträger Lech Wałęsa hat in einem Brief an Uefa-Präsident Michel Platini für das Kandidaten-Duo geworben. „Die Vergabe der EM an Polen und die Ukraine wäre ein deutliches Zeichen“, schrieb er. Auch Fifa-Präsident Joseph Blatter hatte seine Sympathien für diese Bewerbergemeinschaft bekundet.

Wie sich Michel Platini, Präsident der Uefa, der vor seiner Wahl im Januar stets betont hatte, dass das Spiel Fußball wichtiger sei als der Kommerz, entscheidet, ist ungewiss. Er könnte mit einem Votum für Polen und die Ukraine ein weithin sichtbares Zeichen für sein Programm der sozialen Erneuerung des Fußballs setzen. Der Franzose war auch dank osteuropäischer Stimmen an die Uefa-Spitze gewählt worden.

Seine Stimme könnte von großem Gewicht sein. Sollte sich bei einer Abstimmung ein Patt ergeben, gibt die Stimme des Uefa-Präsidenten den Ausschlag. Gerüchten, der 51-Jährige könne aus Sympathie für das Land, in dem er als Spieler von Juventus Turin große Erfolge gefeiert hat, für Italien stimmen, widersprach Platini stets. Italiens Fußball-Verbandschef Giancarlo Abete verschwieg Ende voriger Woche auf seiner EM-Werbetour bei Platini und Blatter nicht, dass in der Manipulationsaffäre der Serie A noch Aufklärungsbedarf besteht. Gerade hat die Staatsanwaltschaft in Neapel 48 Schiedsrichter und Funktionäre wegen Sportbetrugs angeklagt.

Die Bewerber Kroatien und Ungarn haben wohl alleine wegen der Turbulenzen bei der Konkurrenz noch Chancen auf die Ausrichtung der Euro 2012. Während die Begeisterung in Kroatien groß ist und die EM-Kandidatur von 83 Prozent der Bevölkerung unterstützt wird, ist das Interesse in Ungarn, das sich zusammen mit Österreich vergeblich um die EM 2004 beworben hatte, eher gering: Nur 45,5 Prozent der Ungarn befürworten eine Europameisterschaft im eigenen Land.

Bei der Vergabe für die Euro 2004 hatte Außenseiter Portugal in letzter Minute noch die Gunst der Uefa-Funktionäre gewonnen. 2008 wird die EM in Österreich und der Schweiz stattfinden. Noch nicht abgeschlossen ist die Diskussion, ob die Uefa die Endrunde 2012 von 16 auf 24 Mannschaften aufstocken wird. „Ich halte die Größe von 16 Teams für korrekt“, meinte Mayer-Vorfelder.

In der ersten Bewerbungsphase hatten sich zehn nationale Verbände mit acht Kandidaturen um die EM-Austragung in fünf Jahren bemüht. Im November 2005 reduzierte das Uefa-Exekutivkomitee das Kandidatenfeld auf die drei Finalisten und sortierte die Türkei sowie Griechenland aus. Zuvor waren Aserbaidschan, Rumänien und Russland ausgeschieden.