Dubioser Bekennerbrief

Sorge um entführten BBC-Reporter in Gaza wächst. Unbekannte Palästinensergruppe: „Johnston ist tot“

Der vor gut einem Monat im Gaza-Streifen entführte BBC-Korrespondent Alan Johnston soll angeblich hingerichtet worden sein. Die palästinensischen „Brigaden von al-Tauhid wa al-Dschihad“ veröffentlichten am Sonntagabend eine Pressemitteilung, in der sie die Verantwortung für den Tod des schottischen Journalisten übernehmen. In dem Schreiben wird behauptet, dass die Exekution per Videoaufnahmen dokumentiert wurde. Den palästinensischen Sicherheitsdiensten ist die fragliche Gruppe nicht bekannt.

„Solange wir das Video nicht gesehen haben, ist schwer zu sagen, was mit ihm passiert ist“, meint Hassan vom „Palestinian Journalist Syndicate“. Dass noch kein Leichnam von Johnston aufgetaucht ist, wertet der Vertreter des Journalistenverbandes indes als gutes Zeichen. „Möglich ist, dass die Entführer mit ihrer Veröffentlichung den Druck erhöhen wollten, damit man sie bei Verhandlungen ernster nimmt.“ Der Stellungnahme zufolge fordern sie die Entlassung der in Israel festgehaltenen palästinensischen Häftlinge. Die palästinensische Führung distanzierte sich umgehend von den Entführern.

Der 44-jährige Johnston war der letzte fest im Gaza-Streifen stationierte westliche Journalist. Noch im März sollte sein dreijähriger Arbeitsaufenthalt in den Palästinensergebieten enden. Nach einer Serie von Entführungen ausländischer Journalisten hatten fast alle Redaktionen ihre Korrespondenten abgezogen. Bislang gingen die Entführungen jedoch stets unblutig zu Ende. Die längste Zeit wurden im vergangenen Sommer zwei Mitarbeiter des rechten US-Nachrichtensenders Fox News für 13 Tage festgehalten. Sie kamen erst nach ihrer Konvertierung zum Islam und der Zahlung eines Lösegeldes wieder auf freien Fuß.

Der Verband der Auslandsjournalisten (fpa) in Jerusalem warnte unterdessen vor geplanten weiteren Entführungen, für die es offenbar Anzeichen gäbe. „Wir drängen alle unsere Mitglieder, die Fahrten nach Gaza planen, die Notwendigkeit der Tour zu überdenken und alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen“, hieß es. Das Wegbleiben der ausländischen Journalisten bedeutet nicht nur einen schweren Schlag für die palästinensische Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze für Fahrer, Übersetzer und technisches Personal.

Ungewöhnlich bei der Entführung von Johnston ist die Tatsache, dass sich die Entführer einen Monat lang nicht gemeldet hatten. Zeitweilig kam sogar das Gerücht auf, Alan Johnston hätte seine Entführung selbst inszeniert. Vermutlich stammt die Geschichte aus den Reihen der palästinensischen Sicherheitsdienste, die in der Affäre mit ihren Ermittlungen bislang noch keinen Schritt vorangekommen sind.

Aus Zorn über die Unfähigkeit der eigenen Führung und der Polizei hielt der palästinensische Journalistenverband bereits mehrere Streiks und Kundgebungen ab (siehe taz vom 5. 4.). „Unsere Sicherheitsdienste und die Führung haben versagt“, meint Hassan. „Damit ermutigt sie schon jetzt die nächste Entführung.“ Der Protest der palästinensischen Journalisten soll so lange andauern, „bis Alan wieder frei ist“.

SUSANNE KNAUL, JERUSALEM