IN DER WOLFOWITZ-AFFÄRE FEHLTE DEN EUROPÄERN WIEDER MAL DER MUT
: Der Weltbank-Chef ist gut behütet

Weltbankchef Paul D. Wolfowitz hat offensichtlich keine Lust, seinen Hut zu nehmen und dem Druck zu weichen, der seit diesem Wochenende auf ihm lastet. Dass er seiner Freundin ein doppeltes Gehalt verschafft hat, ist unerhört. Doch ist es kaum der alleinige und wahre Grund dafür, dass Wolfowitz plötzlich angegriffen wird. Die Wolfowitz-Kritik rührt vielmehr von einer allgemeinen Kritik an der Orientierungslosigkeit der Weltbank und der Regierung Bush im Speziellen. Denn dass Wolfowitz seiner Partnerin ein üppiges Gehalt zugestand, war intern auch bisher kein Geheimnis. Dass dieser Fakt pünktlich zur Frühjahrstagung der internationalen Geldinstitute auftauchte, ist daher mehr Strategie als Empörung in der Sache.

Doch die westlichen Finanzminister, die am Wochenende über Wolfowitz’ Schicksal zu entscheiden hatten, waren nicht konsequent. Sie hätten den ungeliebten Weltbank-Chef kurz und entschlossen abservieren können. Dass sie sich zu diesem Schritt nicht durchringen konnten, liegt an der zweideutigen Art, mit der die Europäer der Regierung von US-Präsident George W. Bush die Meinung sagen. Wolfowitz ist einer der Hauptarchitekten der US-Invasion im Irak. Er wird der Neocon der Neocons genannt und weiß die schützende Hand von Vizepräsident Dick Cheney über sich. Schon als Bush ihn damals auf den Weltbankposten komplimentierte, murrten die Europäer zwar, zum offenen Widerstand fehlte ihnen aber der Mut.

Und der fehlt ihnen offenbar immer noch. Zwar schlagen sie genüsslich auf Wolfowitz ein, doch richtig verderben möchten sie es sich mit Bushs Mann dann doch nicht. Dass Wolfowitz der Weltbank einen schweren Imageschaden beschert, wird dabei billigend in Kauf genommen. Der angeschlagene Chef wird kaum noch in der Lage sein, seine Anti-Korruptions-Politik weiterzuführen. Auch seine eigentlich guten Initiativen wie der Hilfsfonds für die ärmsten Staaten werden kaum den notwendigen Rückhalt finden. Was sich der Mann von seiner Halsstarrigkeit verspricht, ist schwer zu verstehen. Aber im Arbeitsalltag wird es für ihn kaum einen Unterschied geben: Ein eher unbeliebter Außenseiter im eigenen Hause war er auch bisher schon. ADRIENNE WOLTERSDORF