17 Hippies und der Klang von Berlin 13

Jeder kennt sie hier in Berlin, die 17 Hippies. Einstmals radikaldemokratisches Kollektiv mit ausufernder Personalpolitik, heute musikalisches Aushängeschild der oft beschworenen Brückenfunktion von Berlin zwischen Ost und West. Aber auf ihrem nun schon zehnten Album „Phantom Songs“ überraschen sie: Immer wieder tuckern elektronische Beats, als wollten die 17 Hippies klarstellen, dass sie zwar die Musikmoderne entdeckt haben, aber trotzdem noch lange nicht ihren fantasievollen Umgang mit allen denkbaren Folkloren aufgegeben haben.

Das führt zu einer noch größeren Diskrepanz im Schaffen, als man es von den 17 Hippies eh gewohnt ist. Denn weiterhin versöhnen sie so unermüdlich wie selbstverständlich Klänge aus der ganzen Welt. Sie singen Deutsch, Englisch und Französisch, verschränken dramatischen Chanson mit epischem Country und schmalzigen türkischen Arabeskpop mit fröhlicher Folklore vom Balkan. Sechzehn Jahre nach ihrer Gründung ist es den Hippies gelungen, aus den vielen Einflüssen ein originäres und einmaliges Klangbild zu formen. Ihr Pop feiert die Gegensätze der vielen verschiedenen Einflüsse, indem er die Eigenheiten der Kulturen akzeptiert und ihre Gemeinsamkeiten herausarbeitet. Die Elektronik, für die JD Foster aus New York zuständig war, der erste Koproduzent in der langen Geschichte der Band, kommt da nur als neues Spurenelement hinzu, eine weitere Klangfarbe. Die ist zwar lange nicht grell genug, um die altgedienten Fans zu verschrecken, aber doch immerhin ausgeprägt genug, um das Klangbild der 17 Hippies zu vervollständigen zu einem ziemlich amtlichen Sound of Berlin.

Schließlich klingt diese Stadt, wenn man Federico Aubele folgt, nach Paris und Istanbul gleichzeitig, schweben der Klang eines Akkordeons ebenso wie arabische Harmonien durch Straßen, die gepflastert sind mit träge pluckernden Dubstep-Beats. „Berlin“ heißt der erste Song auf seinem neuen Album „Berlin 13“. Der Argentinier war bereits 2001 aus Buenos Aires hierhergekommen, bevor er dann Mitte der Nullerjahre nach Barcelona weiterzog, mittlerweile lebt er in New York. Unsere Bulettenmetropole hat aber offensichtlich einen bleibenden Eindruck hinterlassen: Ein Stück heißt „Kreuzberg“, Aubele scheint immer mal wieder hier zu sein. Denn der Track ist ein Instrumental, das nicht etwa die altbekannten Klischees des Stadtteils aufwärmt, sondern mit seinem kräftig vorwärtstreibenden Rhythmus durchaus als Soundtrack dienen könnte, wenn die Hostelhorden wieder um die Häuser ziehen.

Ansonsten aber klingt „Berlin 13“ dann doch meist nach dem altbekannten Aubele. Eine gute Dosis gemächlicher Latin und das beständige Wimmern des Tangos seiner argentinischen Heimat, dazu stimmungsvolle Electro-Beats, die in aller Ruhe die Spannbreite zwischen Lounge und Ambient abstecken, darüber ein schläfrig-schmachtender Gesang wie aus der Dämmerung der Seele. Oder, geografisch ausgedrückt: nicht Prenzlauer Berg, bedingt Kreuzberg, vor allem Mitte. THOMAS WINKLER

■ 17 Hippies: „Phantom Songs“ (Hipster Records/Soulfood), live am 14. 5. und 15. 5. im Kesselhaus

■ Federico Aubele: „Berlin 13“ (ESL Music/Warner)