Klinik-Leitung per Günstlingswirtschaft

Ein krimineller Klinikchef, der Millionen in die eigene Tasche wirtschaftet und dem der Chef der Gesundheitsbehörde vertraut, anstatt zu kontrollieren – das ist das Fazit des Bremer Untersuchungsausschusses zum Klinik-Skandal

Knapp 300 Seiten dick ist das Papier, das der Untersuchungsausschuss Klinikskandal gestern der Öffentlichkeit vorgelegt hat. Thema sind Veruntreuungen im Klinikum Bremen-Ost. Deren Aufdeckung hat dazu geführt, dass der Geschäftsführer des Klinikums, Andreas Lindner, seit dem 3. Januar in Haft sitzt. Bremen ist durch ihn ein Millionen-Schaden entstanden. Lindner hatte sechsstellige Summen an Beraterfirmen überweisen lassen, die – wie später bekannt wurde – ihm selbst gehören. Vermutlich muss Bremen auch noch über zehn Jahre lang für einen Vertrag mit einer Reha-Klinik zahlen, die Lindner – wie man heute weiß – nebenher privat betrieb.

Der CDU-Politiker Dieter Focke formulierte in seiner Bilanz des Ausschusses, er habe nicht erwartet, „wie kriminell Lindner wirklich ist“. Die Frage war also, wie eine solche Situation entstehen konnte und warum alle Kontrollmechanismen gründlich versagt haben. Sie habe nicht geahnt, „wie desolat das Gesundheitsressort“ ist, das die Aufsicht hätte führen müssen, erklärte die Ausschussvorsitzende Karoline Linnert (Grüne). „Eine ordentliche Verwaltung … für die Zuarbeit zum Aufsichtsrat war im Ressort nicht vorgesehen“, heißt es in dem Bericht. Und: „Es gab niemanden im Ressort, bei dem zuständigkeitshalber die Informationen hätten zusammengeführt werden müssen.“

So kam es, dass Warnungen über Unregelmäßigkeiten in der Klinik über Monate unbearbeitet blieben – der zurückgetretene und für die Kontrolle verantwortliche Staatsrat Arnold Knigge meinte im Nachhinein, er habe dem Klinikchef „vertraut“.

Warum hat in der Klinik selbst niemand früher reagiert, warum nicht in der Holding „Gesundheit Nord“, die als Dach über den vier kommunalen Bremer Kliniken gedacht war?

Klinikchef Lindner hat es offensichtlich verstanden, eine „Günstlingswirtschaft“ um sich herum einzuführen. Der Leiter des Controlling bekam eine Gehaltszulage, der Vertrag des Chefs der Lungenklinik, Gerd Ukena, wurde gleich viermal in einem Jahr zu dessen Gunsten nachgebessert, und dem ärztlichen Direktor, der nicht spurte, wurde der Rausschmiss angedroht. Dem Geschäftsführer der Klinik-Holding, Wolfgang Tissen, gewährte Lindner privat einen Kredit und besorgte dessen Ehefrau einen lukrativen Beratervertrag, für den sie monatelang keinen Handschlag tun musste.

Wie kann ein einschlägig vorbestrafter Mann wie Lindner auf eine solche Position kommen? Auch das hat der Ausschuss akribisch untersucht. Schon bei dem Holding-Chef Tissen habe es keine Überprüfung der eingereichten Bewerbungsunterlagen gegeben, stellt der Bericht fest. Tissen sei von einem Vertreter des privaten Krankenhaus-Konzerns Fresenius empfohlen worden, dessen Tochterfirma gerade eine Expertise über den Investitionsbedarf in einem anderen Bremer Krankenhaus machte. Und Tissen hat dann einen Bekannten aus früheren Zeiten, eben Lindner, nachgeholt. Der wurde eingestellt, obwohl es deutliche Lücken im Lebenslauf gab. Schon an einem polizeilichen Führungszeugnis wäre die Einstellung gescheitert, ebenso an einer Prüfung der dilettantisch gefälschten Zeugnisse. Aber so genau sah niemand hin.

Seit einem Jahr versucht die Bremer Gesundheitsbehörde, die zwei vakanten Chefposten im Klinikbereich – Lindner wurde entlassen, der Vertrag mit Tissen einvernehmlich kurzfristig beendet – zu besetzen. Ebenfalls seit einem Jahr versucht der Senat, einen privaten Investor für einen dringend notwendigen Klinik-Neubau zu finden. Die Fresenius-Gruppe ist einer der Bewerber, das gibt der ganzen Sache ein besonderes Geschmäckle. Am 13. Mai ist Wahl in Bremen. Vorher wird nichts mehr entschieden. Klaus Wolschner