dicke drüsen von FRANK SCHÄFER
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Kürzlich wachte ich mitten in der Nacht auf mit dem sprichwörtlichen dicken Hals, schleppte mich zum Abort und expektorierte im gezieltem Einzelfeuer eine Garbe mirabellengelber Zweipfund-Prachtqualster in die Schüssel, dass meine Augen tränten vor Besitzerstolz und mein Herz ganz warm wurde. So muss sich eine frisch entbundene Mutter fühlen.

Ich besah mir mein Werk wohlgefällig, und eins stand fest: Ein grindfingriger Reval-Süchtling hätte mir dafür voller Ehrerbietung seine frisch angebrochene Stange überlassen. Dabei rauche ich gar nicht. Und jetzt fiel es mir auf – normal war das nicht!

Als ich Beine und Rücken aus der praktischen Abfahrtshocke wieder in den geraden Stand gedrückt hatte, bestätigte mein Kopf den Befund. Der Schlachter von ganz oben knetete just mit seinen herrlichen Pranken meinen Hackepeter durch, um ihn anschließend in die Pfanne zu hauen. Ich nahm eine 500er-Paracetamol und zog mich zum Sterben ins Bett zurück. Aber bevor ich in eine fiebrige Besinnungslosigkeit fiel, bemerkte ich noch eine weitere unschöne Entwicklung: Ich hatte dicke Drüsen wie mit sechzehn nicht mehr. Und wenn ich Drüsen sage, dann meine ich wirklich Drüsen …

So begannen die drei nutzlosesten, nichtswürdigsten, vergeblichsten Tage meiner sonst so bocksvitalen Sanguiniker-Existenz. Und nach dem ersten Schreck darüber, wie tief man sinken kann, nahm ich es tapfer-demütig als Worst-Case-Szenario, als dystopischen Ausblick auf die letzten Tage im Altersheim, mit leergelutschtem Schädel, malade, nur noch dumpf vor sich hin butternd, bis es allealle ist.

Aber was mich am meisten verstörte: Ich hatte nicht mal Langeweile dabei. Ich lag platt auf der Chaise mit Blick auf die gut gefüllten Bücherregale und sah dort zwei türkise Buchrücken nebeneinander stehen – wie hübsch! – und dort drei orangefarbene. Erst als ein paar Stunden später ein Freund anrief und meine Exerzitien störte, fiel mir auf, dass ich nicht viel weiter gekommen war. Da hinten die beiden dunkelroten noch. Und wenn ich zwischendurch mal die Position wechselte, um nicht durchzuliegen, wurde mir schmerzlich bewusst, dass kein vernunftbegabter Mensch ernsthaft wieder sechzehn sein will. Die dicken Eier werden nämlich immer vergessen!

Ich wollte so nicht weiterexistieren und ging also am nächsten Tag, man mag mich belächeln dafür, zur Ärztin um die Ecke. Die souveräne Frau las quasi meine Gedanken. „Sie sind richtig krank, was? Mal Mund auf und aaaah sagen … – na klar, Angina tonsillaris, auf gut Deutsch: Mandelentzündung.“ – „Ich hab aber gar keine Mandeln mehr“, erwiderte ich erschrocken. Doch sie winkte beruhigend ab. „Ach, das macht nichts. Da schreiben wir Ihnen ein Penicillin auf – was hamse, 90 Kilo?“ – „82“, wollte ich lügend meine Ehre retten, aber sie ließ mich nicht dazwischen. „Na, da müssen wir die höchste Dosierung nehmen. Und in zwei Tagen sind Sie wieder auf dem Damm.“

Und tatsächlich, dieses kleine biochemische Wunder bestätigte sich erneut. Sogar bei mir. Schon bei der zweiten Pille setzte Besserung ein, ich sah wieder die größeren Zusammenhänge im Bücherregal. Und mittlerweile kann ich schon wieder richtig sitzen.