DIE WAHLEN IN NIGERIA SCHLITTERN INS CHAOS. DIE WELT SCHAUT ZU
: Testfall für Afrika

Dutzende Tote, hunderte Häuser angezündet. Nächtliche Ausgangssperren und gewalttätige Ausschreitungen. Im ganzen Land sind Wahlkampfkundgebungen verboten. Das Bild, das Afrikas größte Demokratie Nigeria nach den Wahlen vom vergangenen Samstag in 36 Bundesstaaten bietet, ist eher das eines Bürgerkriegslandes als das einer Demokratie. Mehrere dieser Wahlergebnisse wurden annulliert, die übrigen angefochten. Und am kommenden Samstag geht der Showdown in die nächste Runde: Dann soll – unter noch unklaren Umständen – ein neuer Präsident gewählt werden.

Als Nigeria 1999 aus über 15 Jahren Militärdiktatur herausfand, war das internationale Lob groß. Der neue gewählte Präsident Olusegun Obasanjo, unter der Diktatur inhaftiert, wurde weltweit mit Vorschusslorbeeren bedacht und galt als Reformer, der das Land mit 130 Millionen Einwohnern aus Gewalt und Korruption herausführen wollte. Doch seitdem sind über 10.000 Menschen in ethnischen Konflikten gestorben, die Aufstände in den Ölfördergebieten des Niger-Deltas haben sich zur bewaffneten Revolte ausgeweitet, die Lebensverhältnisse der Menschen aber sind nicht besser geworden. Im täglichen Geschäft stützt sich Obasanjos Partei auf korrupte Mafiabosse, Armee und Polizei agieren als Terrortruppe. Und als seine beiden regulären Amtszeiten zu Ende gingen, versuchte sich Obasanjo – zum Glück vergeblich – an einer Verfassungsänderung, um an der Macht zu bleiben.

Um faire Wahlen zu gewährleisten, entschied sich die EU im vergangenen Jahr, eine Eingreiftruppe in den Kongo zu schicken. Doch die aktuelle Wahl in Nigeria verläuft viel chaotischer als dort. Aber weil Präsident Obasanjo weltweit Respekt genießt, scheint sich niemand Sorgen zu machen.

Das aber ist Ausdruck einer kurzsichtigen Politik. Denn Nigerias nächster Präsident wird ganz sicher nicht das gleiche Prestige genießen wie Obasanjo. Irregulär gewählt und von seinen Gegnern nicht anerkannt – für Nigeria würde dies den Auftakt zu neuen, blutigen Konflikten bedeuten. Am Ende könnte, wie schon so oft, ein „starker Mann“ stehen, der per Putsch für Ordnung zu sorgen versucht. Nigerias junge und aufstrebende Generation, die auf Moderne und Globalisierung setzt und mit den Wirren der Vergangenheit nichts zu tun haben will, wäre wieder einmal betrogen. Und Nigeria hätte eine Chance verpasst, Anschluss an die Weltgemeinschaft zu finden.

Noch lässt sich dem entgegenwirken. Aber dazu braucht es die Einsicht, dass die Wahl in Nigeria ein Testfall für Afrika ist – und für die Stabilität demokratischer Strukturen dort. DOMINIC JOHNSON