Bedeutsame Hinweise

Die Bundesanwaltschaft geht nun wieder der Frage nach, wer der eigentliche Mörder von Siegfried Buback 1977 war

Bis heute ist offengeblieben, wer an einer Ampel in der Karlsruher Innenstadt vom Rücksitz eines Motorrades aus geschossen hat

VON WOLFGANG GAST

Die Chancen für Christian Klar, von Bundespräsident Horst Köhler doch noch vor Ablauf seiner regulären Haftzeit begnadigt zu werden, sind kräftig gestiegen – wenn denn stimmt, was Michael Buback aus „dem Bereich der RAF“ erfahren haben will. Wie der Sohn des 1977 ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback in der Süddeutschen Zeitung berichtet, soll das frühere Mitglied der Roten Armee Fraktion nicht zu den Mördern seines Vaters zählen. Klar habe nicht auf dem Motorrad gesessen, von dem aus 1977 der Generalbundesanwalt und seine Begleiter Georg Wurster und Wolfgang Göbel erschossen wurden.

Worauf sich Michael Buback stützt, bleibt offen. Über den veröffentlichten Text hinaus will sich der Göttinger Chemieprofessor nicht weiter äußern. Und über die erhaltenen „Hinweise“ schreibt er nur, sie seien „schlüssig und passen zu bereits Bekanntem“. Damit, so Michael Buback, habe er gegen Klars Begnadigung nichts mehr einzuwenden, auch wenn ihm dieser Schritt schwerfalle.

Bis heute ist offengeblieben, wer an einer Ampel in der Karlsruher Innenstadt vom Rücksitz eines Motorrades aus mit einer halbautomatischen Waffe Bundesanwalt Buback und seine Begleiter zum Auftakt der sogenannten Offensive 77 getötet hat. Laut dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart von 1985 waren neben Christian Klar auch die RAF-Mitglieder Knut Folkerts und Günter Sonnenberg an der mörderischen Aktion unmittelbar beteiligt.

Wer aber wofür genau zuständig war, ist nicht geklärt. Angemietet hatte das seinerzeit schnellste Serienmotorrad der Welt, eine Suzuki 750 GS, Sonnenberg. Die Vermutung liegt nahe, dass er es am Tag der Ermordung gesteuert hat. Aber an den Tagen vor dem Attentat soll auch Klar mit der Suzuki Probe gefahren sein – nach Auffassung der Ermittler schon mal mit Folkerts als Sozius. Als Fluchtfahrzeug wurde von den RAFlern ein Alfa Romeo angeschafft, gefahren haben den Wagen alle drei. Später wurden sie dann ohne genaue Zuordnung ihres konkreten Beitrags wegen „Mittäterschaft an der Ermordung Bubacks“ zu lebenslanger Haft verurteilt.

Ähnlich verhält es sich bei der Fahndung nach den Mördern des im Herbst 1977 entführten Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer. Auch hier tappen die Ermittlungsbehörden bei der Frage, wer geschossen hat, im Dunkeln. Einiges Licht ins Dunkel brachte 1990 die Verhaftung von 10 früheren Mitgliedern der RAF, die in der DDR untergetaucht waren. Wie Klar zählten sie zur zweiten Generation der RAF und waren an der „Offensive 77“ beteiligt. Nach dem Deutschen Herbst stiegen sie aus dem bewaffneten Kampf aus – und wurden von fürsorglichen Stasi-Offizieren im ersten Arbeiter-und-Bauern-Staat aufgenommen. Die Aussage der RAF-Aussteiger führte zu neuen Gerichtsverfahren und zu neuerlichen Urteilen.

Seither ist etwa bekannt, dass die Ermordung des Bankchefs Jürgen Ponto am 30. Juli 1977 nicht als solche geplant war. Ponto sollte entführt werden, mit ihm als Geisel sollten inhaftierte RAF-Mitglieder freigepresst werden. Ponto aber widersetzte sich seinen Entführern und wurde bei der dabei ausgelösten Schießerei getötet. Andere Unklarheiten der RAF-Aktionen – wie die Frage nach dem Mörder von Buback – konnten aber nicht zweifelsfrei geklärt werden.

Die Bundesanwaltschaft erklärte gestern auf Anfrage nur , ihr lägen seit wenigen Tagen neue Hinweise vor. Dass diese schon präzise sein müssen, ging zugleich aus einer Erklärung von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hervor. Die Karlsruher Behörde werde den neuen Hinweisen zur Aufklärung des Mordes in Kürze nachgehen, kündigte sie am Nachmittag an. Die Bundesanwaltschaft werde den Informanten zu einem Gespräch einbestellen, um den Sachverhalt zu erörtern. Einbestellen kann man nur, wen man kennt, räumte ein Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft ein.

Michael Bubacks indirektes Eintreten für die Begnadigung Christian Klars ist eine bemerkenswerte Wandlung: Noch am 30. Gedenktag der Ermordung seines Vaters, am vergangenen Ostersamstag, hatte sich Michael Buback wie schon in den Monaten zuvor ziemlich deutlich gegen eine mögliche Begnadigung ausgesprochen. „Wir müssen fragen, ob es richtig ist“, hatte er argumentiert, „dass Täter frühzeitig freigelassen werden, ohne dass sie sich zur Tat bekennen, ihren Tatbeitrag einräumen und sich von ihren Verbrechen distanzieren.“

Nichts davon hat Klar bisher unternommen. Und gerade deshalb müssen die „Hinweise“, die Michael Buback erhalten hat, für diesen so bedeutsam gewesen sein, dass er seine Meinung änderte. Gänzlich überzeugt ist der Göttinger Professor zwar nicht und stellt sich die Frage, ob er nicht gezielt in die Irre geführt werde, damit er sich für Klars Begnadigung starkmacht. „Im Zweifel“ will Buback aber zugunsten Christian Klars unterstellen, dass dieser „keiner der Täter auf dem Motorrad war“.

Bubacks Sichtweise nähert sich so einer früheren Einschätzung der Bundesanwaltschaft, die gestern die Nachrichtenagentur dpa referierte: Behördenintern galt danach schon beim Prozess im Jahr 1985 Klar als Fahrer des Alfa und Sonnenberg als Lenker der Suzuki. Dies unterstellt, müsste der Schütze Folkerts gewesen sein, der 1995 nach 18 Jahren Haft aus dem Gefängnis freigekommen ist. „Aber“, schreibt jetzt Michael Buback, „ich höre, Folkerts sei nicht an der Tat beteiligt gewesen.“

Unterdessen hat Klar hat sich nach Informationen des Tagesspiegels in einem weiteren Brief an Bundespräsident Köhler gewandt, um sein Gnadengesuch voranzutreiben. Klar habe darin seine Beweggründe für das umstrittene Grußwort für die Rosa-Luxemburg-Konferenz präzisiert, das ihn als unverbesserlichen Hardliner erscheinen ließ, berichtete das Blatt.

Nach den Angaben zeigt sich Klar in dem Brief an Köhler von der Heftigkeit der Debatte irritiert. Er verweise darauf, dass sein Grußwort auf persönlichen Wunsch des ehemaligen PDS-Bundestagsabgeordneten Heinrich Fink verfasst worden sei. Köhler gab keinen Kommentar dazu ab, wann er sich zu dem Gnadengesuch äußern wird. Gestern wollte Köhler in kleinem Kreis über das Gnadengesuch beraten.

Das Landgericht Karlsruhe erklärte gestern, es wolle in Kürze über Hafterleichterungen für Klar entscheiden.