hamburger szene
: Mardermörder

Da liegt er am Straßenrand. Liebevoll gebettet auf einen Holzpoller. Nur eine kleine Blutspur an der unteren Zahnreihe lässt ahnen, was passiert sein muss. Autounfall, vermutlich.

Friedlich liegt er da, der kleine Räuber. Jemand hat ein paar Löwenzahn-Blüten auf sein zottiges Bauchfell gelegt, so wie es eigentlich nur Kinderhände tun. Aber würde ein Kind einen Marder von der Fahrbahn kratzen und auf einen Holzpoller betten?

Vielleicht war es auch der Unfallgegner, wie das im Juristendeutsch heißt. Mal eben mit ein paar abgerissenen Blumen Reue simuliert, bevor er sich auf die Unfallflucht begab. Die Straße im Hinterland der Altonaer Schienenstränge ist das, was man einen Schleichweg nennt. Nur, dass auf diesen Schleichwegen eben niemand schleicht, sondern im Gegenteil alle rasen. Das Bild mit dem Schleichen kommt wohl eher daher, dass man sich im Wissen um das Unrechtmäßige seines Tuns aus den Augen der Polizei davonschleicht. Das kann dann schon mal mit 80 Sachen sein. Und dann hat ein kleiner, sympathischer Marder, der in den Weiten von Mehdorns Latifundien zuhause ist, eben keine Chance.

Irgendwo zwischen den Bauchzotteln tun sich die ersten Schmeißfliegen gütlich. Übermorgen wird er stinken. Einen Moment lang bin ich wieder der neunjährige Möchtegern-Rocker. Ich denke: Bevor er vergammelt, könnte man den wunderbar buschigen Schwanz abschneiden und an die Autoantenne hängen. JAN KAHLCKE