Schirmherr mit Kettensäge

Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander wirbt für die Klimaschutz-Radtour des Naturschutzbundes. Manchen Mitgliedern ist das gar nicht recht: Profiliert hat sich der FDP-Minister immer wieder auf Kosten des Naturschutzes

Der Naturschutzbund (NABU) ist in Deutschland vor gut 100 Jahren als Bund für Vogelschutz gegründet worden. In Niedersachsen begeht er in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag. Mit 66.000 Mitgliedern ist der NABU der größte anerkannte Naturschutzverband im Land. Neben der politischen Lobbyarbeit auf Landes- und kommunaler Ebene betreuen die vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitglieder Naturschutzgebiete und Biotope. Die Leute vom NABU zählen Vögel, renaturieren Gewässer, managen Infohäuser und veranstalten Führungen, mit denen sie anderen Menschen die Natur nahe bringen. Das von CDU und FPD geplante neue Landesnaturschutzgesetz lehnt der Nabu ab. Mit der Novelle würden die Möglichkeiten engagierter Bürger, sich in Planungen einzumischen, beschnitten. Außerdem werde der Artenschutz verwässert. Umweltminister Sander müsse sich an seinen Taten messen lassen. KNÖ

VON GERNOT KNÖDLER

Dass sich ein Umweltminister mit spektakulären Aktionen gegen den Naturschutz hervortut, ist von Amts wegen ungewöhnlich. Hans-Heinrich Sander aus Niedersachsen ficht das nicht an. Im November ließ der FDP-Mann sich in Schutzmontur mit Motorsäge ablichten, wie er im Deichvorland bei Bleckede eine Weide fällte – mitten im Naturschutzgebiet. Das Kettensägen-Massaker, angeblich zum Hochwasserschutz, war eine von vielen Gelegenheiten, bei denen Sander die Umweltverbände düpierte.

In Teilen des Naturschutzbundes (NABU) stößt es deshalb auf Unverständnis, dass Sander die Schirmherrschaft für die „Tour de NABU“ übernehmen durfte – eine 2.000 Kilometer lange Fahrradtour durch das Land zum 60-jährigen Jubiläum des Landesverbands Niedersachsen. Auch ein Ausschluss des NABU-Mitglieds Sander ist im Verband schon einmal gefordert worden.

Wegen der kürzlich gestarteten Radtour hat sich jetzt die Ortsgruppe Moormerland – das ist der Landstrich zwischen Leer und Emden – an den Landesverband gewandt: Die Tour sei eine tolle Idee, der Vorstand der Ortsgruppe habe jedoch „Schwierigkeiten mit der Schirmherrschaft des Umweltministers“ und werde diese auf der Hauptversammlung am kommenden Dienstag „kaum positiv vermitteln“ können. Die Bevölkerung könnte den Eindruck gewinnen, der NABU unterstütze Aktionen wie das Kettensägen-Massaker. Eine Teilnahme könne sich der Vorstand der Ortsgruppe nur vorstellen, „wenn wir uns öffentlich von den bisherigen Handlungen des Ministers distanzieren können“.

Sander hat das Landesamt für Ökologie abgeschafft, das Naturschutzgesetz entschärft, den Landesorganisationen der Umweltverbände das Geld gekürzt, und er setzt sich für den problematischen Klei-Abbau in Salzwiesen vor den Deichen ein. Vor Ort ärgert Alfred Buss, den Vorsitzenden des NABU Moormerland besonders, dass Sander es zuließ, dass das Petkumer Deichvorland ganzjährig für Fußgänger und Radfahrer geöffnet wurde. In das europäische Vogelschutzgebiet war zunächst ohne naturschutzrechtliche Genehmigung ein Betonweg gebaut und dann für Touristen geöffnet worden, die die Vögel beim Brüten stören.

„Das ist eine Frechheit, dass man bei all dem, was passiert ist, Sander als Schirmherrn nimmt“, sagt Buss. Er könnte sich vorstellen, an der Tour zwar teilzunehmen, dabei aber gegen den Minister zu demonstrieren. Die Rückmeldungen aus anderen Ortsgruppen zeigten, dass sich viele Mitglieder über die Schirmherrschaft ärgerten. Im Landkreis Goslar etwa will das „noch NABU-Mitglied“ Olaf Bokemüller bei der nächsten Mitgliederversammlung einen ähnlichen Antrag einreichen.

Das Unbehagen über Sanders NABU-Mitgliedschaft ist im Verband schon früher geäußert worden. Vor zwei Jahren hatten Oldenburger Umweltschützer gefordert, der Minister solle austreten, „um dem NABU weitere Peinlichkeiten zu ersparen“. Von außen machte der auf eigene Faust agierende Wattenrat Ostfriesland Druck, indem er Sanders Ausschluss anregte. Der Wattenrat unterstellte dem NABU-Landesvorsitzenden Hans-Jörg Helm zudem, er stehe Sander bedenklich nahe. Einem Zeitungsbericht zufolge sang Helm dem Minister zu dessen 60. Geburtstag gar ein Lied.

„Wir können, soweit es unsere Region betrifft, nichts Negatives über Sander sagen“, stellt dagegen Wilhelm Kaufmann fest, der Vorsitzende der Kreisgruppe Wilhelmshaven. Sicherlich habe sich der Minister in vielen Fällen nicht sehr sensibel verhalten. Als es um die Erhaltung des EU-Schutzgebietes Voslapper Groden ging, habe Sander jedoch den NABU unterstützt. Und die Kleientnahme könne man in Ausnahmefällen akzeptieren. „Küstenschutz ist ein heißes Thema“, sagt Kaufmann. Die Frage der Schirmherrschaft müsse Sander mit sich selbst ausmachen. Ein Ausschluss sei von der Landesvertreterversammlung abgelehnt worden.

Auch Franz-Otto Müller, der Leiter der Kreisgruppe Wesermarsch, hält die Forderung nach einem Ausschluss Sanders für schwierig. Er hält Sanders Wirken zwar für politisch gefährlich, findet aber, der Minister sollte sich besser beraten lassen und dann auch auf den Rat der Fachleute hören, statt aus dem Bauch heraus zu argumentieren. Selbst wenn es eine persönliche Nähe zwischen dem Landesvorsitzenden Helm und Sander geben sollte, lägen beide inhaltlich weit auseinander.

Helm kann die Kritik an der Schirmherrschaft nicht nachvollziehen: Zweck der Radtour sei es unter anderem, für den Klimaschutz zu werben, und dabei sei die Schirmherrschaft hilfreich. „Es geht hier um das Amt und nicht um die Person“, argumentiert er. Der NABU setze sich inhaltlich scharf mit den Positionen Sanders auseinander, was in den vielen Dutzend kritischen Stellungnahmen nachzulesen sei. Das heiße aber nicht, dass man nicht miteinander rede. „Man kann einem Politiker nichts nahe bringen“, findet der Landesvorsitzende, „wenn man nicht mit ihm redet.“