Dicke Backen, pralles Leben

Themen-Erleber im Premiumjournalismus: das hornige Magazin „Matador“

Diese Magazinmacher rollen die Presselandschaft auf wie ein nasses Badetuch am Pool

Deutschland, im Frühjahr 2017. Wehmütig denken die Menschen an die seligen Zeiten von 2007 zurück, als Matador noch ihr Leben versüßte. Matador, das war das Lifestyle-Magazin mit den stilisierten Stierhörnern, das den deutschen Journalismus mit bedingungslosen Enthüllungen revolutionierte. Sein Slogan: „Männer wollen’s wissen.“

Die Mannschaft, die damals den Stier bei den Hörnern packte und die deutsche Presselandschaft aufrollte wie ein nasses Badetuch am Pool, hat jetzt, nach zehnjährigem Nichterscheinen, ein Jubiläumssonderheft produziert, das in seiner edlen Optik, mit seinem opulenten Auftritt und der hochwertigen Anmutung seinesgleichen sucht. Die Macher von damals laufen noch einmal zur Hochform auf und präsentieren ihre Vision eines erlesenen Anzeigenumfelds den begeisterten Media-Entscheidern.

Wir trafen den legendären Chefredakteur des einzigartigen Blattes. Stefan Romeikat residiert in einer speichelfarbenen Büro-Lounge in der Hamburger Speicherstadt. Er arbeitet heute als freiberuflicher Event-Manager und ist nur für das Jubiläumsheft noch einmal in die journalistische Tretmühle gestiegen. Wir wollen wissen, was das Besondere an Matador war. Bevor er zu erzählen beginnt, holt Romeikat aber erst einmal eine Flasche Scotch und zwei Gläser aus der Schreibtischschublade und gießt uns zwei Drinks ein. Dann beschreibt er die Erfolgsformel: „Matador war das erste speziell für den deutschen Markt entwickelte Männer-Lifestyle-Magazin. Mit einem anspruchsvollen und hochwertigen redaktionellen Konzept informierte es Männer auf unterhaltsame und intelligente Art und gab ihnen jede Menge Inspiration. Letztendlich war es aber der spannende Themenmix rund um Frauen, Autos, Technik, Sport und Mode, der Matador so unglaublich erfolgreich machte.“

Romeikat schnuppert genüsslich an einer Cohiba und genehmigt sich noch einen Highland Malt. Er schwelgt in Erinnerungen an die Zeiten, als Männer es noch wissen wollten. „Im Grunde war Matador sechs Magazine in einem – jeweils eines für Motor, Technik, Sport, Erotik, Style und Wissen.“ Der innovative Rubrikenmix hat die Konkurrenz seinerzeit erheblich unter Zugzwang gesetzt: GQ vereinigt seitdem acht Magazine unter seinem Dach, Men’s Health bringt es auf stattliche zwölf Magazine in einem und die Playboy-Macher träumen immer noch von einem opulenten All-in-one-Magazin, das den Kauf eines Konkurrenzprodukts praktisch überflüssig machen würde.

Eine Revolution im deutschen Pressewesen, auf die Romeikat sichtlich stolz ist. „Noch was: Wir haben unsere Leser in den klassischen Interessengebieten des Mannes zuverlässig und auf höchstem journalistischen Niveau informiert.“ Was genau ist darunter zu verstehen? Worin bestanden die journalistischen Neuerungen? „Die Geschichten in Matador waren maßgeschneidert“, sinniert Romeikat. „Die Themen, über die die Matador-Autoren schrieben, haben sie auch selbst erlebt.“ Selbst erlebte Themen – das muss man sich noch heute auf der Zunge zergehen lassen. Saßen die Reporter der Prä-Matador-Ära gelangweilt an ihren Schreibtischen und sogen sich ihre altbackenen Geschichten aus der Feder, so gingen Matador-Themen-Erleber erstmals „vor Ort“ hinein ins meist pralle Menschenleben. Legendäre Reportagen etwa zum Thema „Warum ist Gähnen ansteckend?“, entstanden nur, weil knallharte Rechercheure einen Selbstversuch wagten. Außerdem bot Matador packende Berichte und Reportagen aus der Welt von Wissenschaft und Forschung, die einen konzeptionellen Gegenpol zu den spannenden Lifestyle-Themen bildeten. Hier fand der moderne und vielseitig interessierte Mann kurzweilige Basisinformationen etwa zu Hinrichtungen in Texas. Oder auch ultimative Antworten auf Fragen wie: „Wie spricht man Außerirdische an?“ Beim Gedanken an diese Geschichte gießt sich Romeikat einen weiteren Whisky hinter die Binde.

So langsam wollen wir selbstverständlich auch erfahren, wie das damals mit den Mädels war. Stefan Romeikat wippt behaglich in seinem Chefsessel: „Erotische Fotografie spielte in Matador nicht die wichs- … – pardon, wichtigste, aber eine entscheidende Rolle, schließlich war es ein Männermagazin. Aber: Matador begegnete der Frau stets auf Augenhöhe, bei uns war sie kein Mäuschen oder Pin-up-Girl.“ Zum Schluss wollen wir dann aber doch noch wissen, was das wirklich wichtigste Alleinstellungsmerkmal von Matador war? Romeikat spricht mittlerweile mit etwas schwerer Zunge, aber den wahren Schlüssel zum Erfolg will er uns dann doch noch mit auf den Weg geben. „Wir waren die Ersten, die es wagten, stilisierte Stierhörner am M anzubringen. Das war für damalige Verhältnisse eine unglaubliche Provokation, die Leute waren schockiert. Doch inzwischen hat die Idee viele Nachahmer gefunden. Das Automagazin mot zum Beispiel hat Schalthebel an das m montiert, Maxim lockt den Kunden mit stilisierten Penissen. Und wer weiß, vielleicht wird die taz eines Tages ebenfalls diese Idee aufgreifen.“ Gut möglich, doch bevor wir ihn diese Superidee weiterspinnen lassen, verabschieden wir uns lieber vom Grand old man des deutschen Premiumjournalismus. Denn es gibt Dinge, die Männer wie wir nicht wirklich wissen wollen. RÜDIGER KIND