Finale der Erfolgsmodelle

Der VfB Stuttgart erreicht das DFB-Pokal-Finale gegen Nürnberg. Der VfL Wolfsburg kann mit seinem ordentlichen Kombinationsversuchsfußball gegen die abgeklärten Gäste nicht mithalten

AUS WOLFSBURG PETER UNFRIED

Falls es im Fußball eine Gerechtigkeit gibt, so könnte sie darin bestehen, dass sich zwei Erfolgsmodelle dieser Saison im DFB-Pokalfinale gegenüberstehen – und damit im Mittelpunkt des nationalen Saisonabschluss-Feiertags. Während der 1. FC Nürnberg seine Finalteilnahme als „Wunder“ begreift (Präsident Michael A. Roth), hat sich der VfB Stuttgart seine Berlinreise mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit abgeholt. Klar war Trainer Armin Veh „überglücklich“ nach dem 1:0 (1:0) im Halbfinale beim VfL Wolfsburg, denn damit ist das offizielle Saisonziel erreicht und ein Wohlfühlfaktor gesichert. Aber schon am Samstag geht es gegen den Tabellenvierten FC Bayern München um die ökonomische Perspektive und die internationale Verortung. „Wir sind Dritter“, sagt Veh, „und wir wollen mit aller Macht versuchen, diesen Platz zu verteidigen.“ Wollen, nicht müssen, das soll entspannt machen. Aber die Chance ist da: Der VfB hat 55 Punkte, 2 weniger als Werder, 2 mehr als die Bayern, mit Platz drei wäre man in der Qualifikation zur Champions League.

Es war, anders als beim Club, keine rauschende Vorstellung, die der VfB in Wolfsburg ablieferte. Dafür eine abgeklärte. Die Defensive funktioniert nun schon einen Großteil der Saison, speziell die Innenverteidigung mit Kapitän Meira und Delpierre steht – davor organisiert der Chef, Pavel Pardo, unauffällig, aber effektiv das Spiel. Wenn man dann auch noch früh in Führung geht, sagte Veh grinsend, „kann man noch tiefer stehen“. Das tat man, wartete aber nicht bloß ab, sondern lief die Räume um Kreativzentrum Marcelinho so strukturiert zu, dass die logische Überlegenheit des VfL Wolfsburg zu nichts führte.

Wenn der Schütze des einzigen Tores der Held eines Abends ist, dann heißt er im vorliegenden Fall Antonio da Silva, der hinter den Spitzen spielte und mit einem Freistoß das 1:0 besorgte (16.). So was hat Linksfuß da Silva seit frühester Jugend geübt, wie er hinterher mitteilte. Weil man es ihm in den Mund legte, sagte er noch, er hoffe, dass „gegen die Bayern noch so ein Freistoß reingeht“. Da Silva kam zu Saisonbeginn aus Mainz und ist nach längerer Pause bemüht, seine Form zu finden. Das sieht man. Was Wolfsburg betrifft, so wird jene Spezies aufatmen, die schon gefürchtet hatte, eine Finalteilnahme des VfL mindere das Spektakel. Der VfL agierte an seinem derzeitigen Limit und lieferte okayen Kombinationsversuchsfußball. Speziell Spielmacher Marcelinho wirkte eine Stunde wie ein aufgezogener Duracell-Hase, suchte die Lücke in der VfB-Abwehr, schien sie zwei-, dreimal mit Krzynoweks Hilfe auch gefunden zu haben, aber vorn fehlte schlicht der verletzte andere Schlüsselspieler: Mittelstürmer Diego Fernando Klimowicz. „Natürlich merkte man, dass Klimowicz fehlt“, sagte Veh hinterher. Nach 70 Minuten war der Akku von Marcelinho entladen: Der Hase kam zum Stillstand. Als fünf Minuten vor dem Ende mit einem 18-Meter-Freistoß jener Standard da war, den der VfL brauchte, war Marcelinho geistig zu erschöpft.

VfL-Trainer Klaus Augenthaler konnte der Versuchung nicht widerstehen, die Schuld dort zu suchen, wo man sie gerne sucht. „Es ist schade, wenn junge Männer einen Traum haben, und dann hebt draußen einer die Fahne“, grummelte er dramatisch. Es ging um ein Tor von Marcelinho, dem die Anerkennung verweigert wurde, weil Linienrichter Harry Ehing zuvor irrtümlicherweise Abseits angezeigt hatte. Veh gab mit der Nonchalance des Siegers zu bedenken, dass seine Leute wegen des Pfiffs vor dem Tor längst das Spielen eingestellt hatten. Letztlich fehlte einfach etwas: Die für den VfL richtige Schiedsrichterentscheidung (auch Hoflands Foul, das zum 0:1 führte, war umstritten). Klimowicz. Ein Geniestreich von Marcelinho. Vermutlich ist es dennoch bezeichnend für Wolfsburg, dass man NICHT im Finale steht und das große emotionale Erlebnis ausbleibt, mit dessen Hilfe Manager Klaus Fuchs das Wachsen des jungen Spitzenfußballstandorts beschleunigen wollte. Die Mannschaft, sagt Fuchs, „hat keinen Grund, an sich zu zweifeln“. Das ist bereits mentale Vorbereitung auf das Abstiegsvermeidungsspiel gegen Bielefeld am Samstag. Die historisch größte Leistung des Klubs besteht ja darin, seit zehn Jahren in der Bundesliga zu spielen. Wenn man diesen Zeitraum etwa mit dem 1. FC Nürnberg vergleicht, sollte man das nicht gering schätzen.