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Archiv-Artikel

Rumänen statt Polen zur Ernte

Seit Polen in der EU ist, finden deutsche Bauern nur noch schwer polnische Erntehelfer

BERLIN taz ■ Muss der deutsche Spargel etwa auf dem Feld verrotten? Die Geschichte, die momentan zirkuliert, klingt plausibel: In Großbritannien könnten die polnischen Erntehelfer deutlich mehr verdienen – also würden sie sich dort verdingen und nicht länger über die deutschen Äcker kriechen.

In den deutschen Spargelgebieten ist allerdings noch keine Panik ausgebrochen. „Uns haben keine akuten Hilferufe von Landwirten erreicht“, so Richard Bruskowski vom badischen Bauernverband. Allerdings sei es tatsächlich schwieriger geworden, polnische Spargelstecher zu rekrutieren. Denn mit dem EU-Beitritt hat Polen der Regelung zugestimmt, dass europaweit das Sozialrecht des Heimatlandes gilt.

Daher müssen polnische Saisonarbeiter in Deutschland neuerdings Sozialbeiträge in Polen zahlen. Für die deutschen Bauern werden gleichzeitig Arbeitgeberbeiträge an die polnischen Kassen fällig. Das ist nicht billig: Wie in Deutschland liegen in Polen die Sozialbeiträge bei rund 40 Prozent des Lohns.

Seither werden für die Ernte vor allem Polen gesucht, die nicht sozialversicherungspflichtig sind: Hausfrauen, Rentner, Studenten. Auch Rumänen erfreuen sich bei den deutschen Bauern neuer Beliebtheit, weil bei ihnen kaum Sozialkosten anfallen. Insgesamt scheint die Zahl ausländischer Saisonkräfte jedenfalls stabil geblieben zu sein. Bei der Bundesagentur in Nürnberg hat man bis Mitte April rund 140.000 beantragte Arbeitserlaubnisse gezählt – im letzten Jahr waren es 150.000.

Der Tariflohn für Spargelstecher liegt in Baden-Württemberg bei 5,55 Euro. „Und das wird auch gezahlt“, versichert Bruskowski. Hinzu kommen die Arbeitgeberbeiträge, macht insgesamt rund 6,50 Euro. Allerdings bieten die meisten Bauern noch Leistungszulagen an. Sie sind Betriebsgeheimnis. „Aber einige Landwirte haben etwas zugelegt, um ihre bewährten Erntehelfer zu halten“, vermutet Bruskowski.

Auch der Bauernverband Westfalen-Lippe glaubt nicht, dass die polnischen Saisonkräfte wegen der Erntelöhne nach Großbritannien ziehen. „Es geht um die Freizügigkeit dort“, sagt Marion von Chamir. Anders als in Deutschland dürften die polnischen Arbeiter in Großbritannien länger als vier Monate bleiben. Zudem könnten sie die Branche wechseln und etwa auf dem Bau arbeiten – was viel besser entlohnt wird als das Spargelstechen. ULRIKE HERRMANN