Oettinger verteidigt rechte Denkfabrik

Der Ministerpräsident will Mitglied in dem von Filbinger gegründeten Studienzentrum Weikersheim bleiben. Die Gästeliste, auf der Namen wie Martin Hohmann stehen, ist nach seiner Ansicht kein Indiz für eine rechtsextreme Ausrichtung

VON VEIT MEDICK

Kaum hatte sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) im Streit um seine Filbinger-Rede gestern offiziell mit dem Zentralrat der Juden ausgesöhnt, da steht ihm schon ein neuer Problemfall ins Haus. Diesmal gerät er wegen seiner Nähe zu dem von Hans Filbinger gegründeten Studienzentrum Weikersheim in die Kritik. Aufgrund von umstrittenen Veranstaltungen und Mitgliedern gilt der Verein als Gelenkstelle zum Rechtsextremismus.

Oettinger, selbst Mitglied im Verein Studienzentrum Weikersheim e. V., sieht das offenbar anders. Nach dem Treffen mit dem Zentralrat sagt er, Redner und Gäste gäben ihm keinen Anlass zu der Vermutung, dass der Verein rechtsextremem Gedankengut ein Forum biete. Zentralrats-Generalsekretär Stephan Kramer hatte zuvor eine Schließung des Zentrums gefordert.

Beim gestrigen Treffen mit der Spitze des Zentralrats der Juden am Frankfurter Flughafen distanzierte sich Oettinger nochmals von den kritischen Passagen seiner umstrittenen Trauerrede für seinen Vorgänger Hans Filbinger. „Es war eine sehr intensive Offenheit – und sie ist auch nötig gewesen“, berichtete die Präsidentin des jüdischen Dachverbandes, Charlotte Knobloch. Die Rücktrittsforderung sei damit gegenstandslos.

Das Weikersheimer Zentrum versteht sich laut Selbstdarstellung als „christlich-konservative Denkfabrik“ und „Antwort auf die so genannte Kulturrevolution aus den 60er Jahren“. Zahlreiche CDU-Minister Baden-Württembergs sind in Weikersheim regelmäßige Redner und Gäste.

Doch auch Ultrarechte und NPD-Politiker waren im Zentrum bislang höchst willkommen – wie etwa Auftritte des Rechtsextremen Horst Mahler belegen. Mahlers Laudatio für den Weikersheim-Mitbegründer Rohrmoser liegt bereits zehn Jahre zurück. Aber insbesondere die Unterorganisation Jung-Weikersheim scheint sich noch immer in dieser Tradition zu bewegen.

Eine für heute – dem Geburtstag Adolf Hitlers – geplante Veranstaltung mit dem ehemaligen Brigadegeneral Reinhard Günzel wurde kurzfristig abgesagt. Günzel war im November 2003 vom damaligen Verteidigungsminister Rudolf Scharping entlassen worden, nachdem er dem früheren CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann zu seiner als antisemitisch kritisierten Rede gratuliert hatte. Auch Hohmann selbst steht in Weikersheim offenbar hoch im Kurs: Für August ist eine Veranstaltung mit ihm geplant. Der Geschäftsführer des Studienzentrums, Ronald Schrumpf, bestätigte der taz diesen Termin: „Ja, das ist geplant. Sie können ja auch nicht jungen Menschen verbieten, mit Andersdenkenden zu sprechen. Er soll die Veranstaltung aufpeppen.“

Auch die oppositionelle SPD im Stuttgarter Landtag fordert die Schließung des Studienzentrums. Die Landes- und Fraktionsvorsitzende Ute Vogt sagte der taz, sie halte „die Forderung des Zentralrats für berechtigt“. In Weikersheim würden „sehr bewusst Grenzen überschritten“, und das Gedankengut bewege sich „jenseits dessen, was man noch rechtskonservativ nennen kann“. Die Staatskanzlei in Stuttgart wollte gestern auf taz-Anfrage keine Stellungnahme dazu abgeben.

Nach Ansicht von Geschäftsführer Schrumpf ist die Initiative zur Schließung seines Zentrums gänzlich abwegig. „Da könnten wir ja auch gleichzeitig die Schließung des Zentralrats fordern“, sagte Schrumpf der taz. Beim Studienzentrum handele es sich um einen gemeinnützigen Verein, der „nicht einfach durch staatliche Beschlüsse geschlossen werden“ könne.

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