Der Besserwisser

Nigerias scheidender Präsident Olusegun Obasanjo wollte sein Land von Grund auf reformieren. Er hinterlässt einen zweifelhaften Ruf

Am kommenden Samstag werden in Nigeria Präsident und beide Parlamentskammern gewählt. Der bisherige Amtsinhaber Olusegun Obasanjo darf nach zwei gewählten Amtszeiten nicht mehr kandidieren. Es herrschen große Zweifel, ob die Wahl korrekt ablaufen wird. Die Wahlen zu den Regierungen der 36 Bundesstaaten Nigerias am vergangenen Samstag waren von Gewalt und Unregelmäßigkeiten zugunsten der Regierungspartei PDP begleitet. D. J.

LAGOS taz ■ Nigerias Präsident Olusegun Obasanjo arbeitet ungestüm an einem Platz in der Geschichte des Landes. Zum Ende seiner Amtszeit will er eine perfekte Bilanz. Die Streichung der gigantischen nigerianischen Auslandsschuld, angeschoben in den letzten zwei Jahren mit Hilfe der G-8-Staaten, lässt Nigeria heute als erstes afrikanisches Land ohne Schulden dastehen. Vor einem Jahr noch beliefen sich die Auslandsverbindlichkeiten Nigerias auf über 35 Milliarden US-Dollar – heute stehen die über 140 Millionen Nigerianer nur noch mit wenigen Milliarden Schulden in der Kreide. Es ist die größte Entschuldung, die ein afrikanisches Land je gesehen hat, und heute steht Nigeria im internationalen Kredit-Rating ähnlich gut da wie die Türkei oder die Ukraine.

Nigerias scheidender Präsident will in die Geschichte eingehen als derjenige, der den Ruf seines international wegen Korruption und Trickbetrügereien verschrienen Landes aufpoliert hat. Der Militärherrscher Obasanjo in den 70er-Jahren war der Erste, der die Macht freiwillig an Zivilisten abgab; der politische Häftling Obasanjo unter der finsteren Diktatur von General Sani Abacha in den 90ern führte Nigeria zum zweiten Mal zurück in die Demokratie, als er 1999 die ersten freien Wahlen nach sechzehn Jahren gewann.

Der Chef der Antikorruptionsbehörde EFCC rechnete kürzlich vor, dass in den vergangenen 40 Jahren umgerechnet rund 350 Milliarden Dollar Staatseinnahmen von Nigerias Herrschenden gestohlen wurden. Heute arbeiten Nigerias Antikorruptionsbehörden wirkungsvoll. Vom Gouverneur, der große Teile seines Bundesstaatshaushalts in die eigene Tasche steckt, bis zum Internet-Trickbetrüger, der mit Betrugsmails ahnungslosen Opfern Millionensummen verspricht und sie dann geschickt per Bitte um Vorauszahlungen schröpft – keiner fühlt sich mehr sicher.

Aber dafür, dass alles so läuft, wie der Exgeneral geplant hat, hat Nigeria einen hohen Preis gezahlt. Bis auf eine kleine Oberschicht warten die Nigerianer weiter auf eine Verbesserung ihrer katastrophalen Lebensumstände. Jedes dritte Kind, das in Afrika der Malaria zum Opfer fällt, stirbt in Nigeria, obwohl das Land nur ein Sechstel der Bevölkerung des Kontinents zählt. Rund zwei Drittel der Bevölkerung leben nach wie vor unterhalb der Armutsgrenze von einem US-Dollar am Tag, obwohl das Land der größte Ölexporteur Afrikas südlich der Sahara ist. Die Wissenselite und ehrgeizige junge Leute wandern in Scharen nach Amerika und Europa aus.

Präsident Obasanjo sagt, gerade das wolle er durch seine Reformen ändern. Aber viele Nigerianer sind der ewigen Versprechen ihres im Ausland so geliebten Präsidenten müde. Zu Beginn seiner ersten Amtszeit erklärte Obasanjo die Energieversorgung zur Chefsache – heute, kurz vor seinem Ausscheiden, liefert die staatliche Stromgesellschaft Nepa immer noch nur durchschnittlich vier Stunden Strom am Tag. Angesichts der massiven Privatisierungen öffentlicher Unternehmen durch die Regierung Obasanjo vermuten Nigerianer eine Schacherei unter Eliten. Die nigerianische Megaholding Transcorp, an der auch Obasanjo nicht unbeträchtlich beteiligt ist, gewann nämlich viele Privatisierungsausschreibungen.

Und nach wie vor fließen jedes Jahr gewaltige Reichtümer illegal aus dem Land. Angesichts der eingeleiteten Reformen ist das erstaunlich, aber nur auf den ersten Blick. Heute findet Korruption in Nigeria zumeist auf der Ebene der 36 Bundesstaaten statt, wo inzwischen die Hälfte der Staatsausgaben verwaltet wird. Die skrupellose Art, wie auf lokaler Ebene in Nigeria Politik und Geschäft vermischt werden, erklärt die massiven Unregelmäßigkeiten bei den jüngsten Gouverneurswahlen. Einige der schlimmsten Übeltäter dabei finden sich in der Partei des Präsidenten, der Demokratische Volkspartei (PDP).

Obasanjo hat es nicht geschafft, diesem Treiben in seinen zwei vierjährigen Amtszeiten ein Ende zu setzen. Vielmehr hat seine Politik der „sauberen Hände“ Günstlingswirtschaft innerhalb seiner Partei gestärkt. Dass ein Großteil der politischen Klasse korrupt ist, spielte dem Präsidenten in die Hände, weil er sie so gefügig und erpressbar machen konnte. Als seine PDP ihren Präsidentschaftskandidaten kürte, konnte Obasanjo jedem ungewünschten Ehrgeizling wirkungsvoll mit Korruptionsverfahren drohen. So setzte er einen muslimischen Gouverneur als PDP-Präsidentschaftskandidat durch, Musa Yar’Adua, der im eigenen Land kaum bekannt war, aber für nigerianische Verhältnisse als sehr ehrlich gilt. Außerdem ist er ein alter Familienfreund Obasanjos.

Obasanjo wird in die Geschichte aber auch als ein Machtmensch eingehen, der die Fäden nicht aus der Hand gibt. Nach seinem Abtritt von der Macht wird er nämlich Vorsitzender des „Board of Trustees“ der PDP, sozusagen der Aufsichtsratsvorsitzende der Partei, der die Finanzen und inhaltliche Politik steuert. HAKEEM JIMO