Pater Willi, Mann mit Zukunft

Pater Willi wird er in anderen Parteien genannt, weil er so salbungsvoll spricht und rhetorisch den mahnenden Finger erhebt. Wilhelm Molterer, demnächst 52 und ab diesem Wochenende der neue starke Mann in der ÖVP, spielte lange die zweite Geige in seiner Partei: bis zu den Nationalratswahlen vom 1. Oktober, die Wolfgang Schüssel überraschend verlor. Unter den Kronprinzen war er derjenige, der am meisten Kontinuität versprach.

Der auf einem Bauernhof in Oberösterreich aufgewachsene Molterer verkörpert wie wenige andere die Werte der ÖVP: katholisch, strebsam, wertkonservativ. Mit 18 krönte er sich durch vollendetes Furchenziehen zum Sieger der oberösterreichischen Meisterschaft im Leistungspflügen. Das Bedächtige des Landmanns brachte er auch in die Politik ein. Heute mehr als früher. Denn bei der konservativen Studentenorganisation an der Uni Linz, wo er Sozial- und Wirtschaftswissenschaften studierte, galt er als Revoluzzer. Er demonstrierte für die Abschaffung des Bundesheers und machte sich für die Gesamtschule stark. Auch als Agrarminister vor rund zehn Jahren pflegte er den Ruf des Liberalen. Heute ist er einer der vehementesten Verteidiger der teuren Eurofighter und die von SPÖ und Grünen propagierte Gemeinsame Schule ist für ihn kein Thema mehr.

Auf dem langen Marsch durch ÖVP-Gremien und öffentliche Ämter wandelte sich Molterer zum pragmatischen Machtpolitiker, dem Freunde wie Gegner eine große Zukunft voraussagten. Unter Schüssels Kanzlerschaft wurde er zur Zentralfigur der schwarz-blauen Wenderegierung. Er führte die geheimen Verhandlungen mit Jörg Haider, obwohl er bis dahin als entschiedener FPÖ-Gegner galt. Bei der Neuauflage der Koalition nach den vorgezogenen Wahlen 2002 wurde er Fraktionschef. Die Rolle des Zuchtmeisters des Parlamentsklubs spielte er perfekt und völlig humorfrei. Kein böses Wort über den Koalitionspartner kam über seine Lippen. Seine Interventionen in den TV-Redaktionen sind legendär: Man sprach vom „Moltophon“, das ständig klingelte.

Dennoch wollte Schüssel den umstrittenen Finanzminister Karl-Heinz Grasser als Nachfolger installieren. Nur ein Aufstand in der Partei verhinderte den Aufstieg des eitlen Selbstvermarkters zum Vizekanzler und Parteichef. Da schlug Molterers Stunde. Und er spielt die neue Rolle durchaus souverän. Als Finanzminister hat er nicht nur mit einem schnell erstellten Doppelhaushalt 2007/08 viel Lob eingeheimst, er hat es als Hüter des Budgets auch in der Hand, die SPÖ-geführten Ressorts kurzzuhalten und so sein Ziel zu verfolgen, die ÖVP wieder zur stärksten Partei zu machen. RALF LEONHARD