Putins willige Handlanger

Der russische Staatskonzern Gazprom steigt ein bei RWE, E.ON, Ruhrgas und dem FC Schalke. Allein der Fußballclub erhält 120 Millionen Euro. Die Zeche wird der NRW-Bürger als Gas-Endkunde zahlen.

AUS MOSKAU PETER VOSSWINKEL

Gazprom plant die Kontrolle über seinen Energiestrom bis hin zum deutschen Gasherd. Mit dem Marschbefehl des Kreml hat Gazprom, die größte Gasfirma der Welt, bereits Beteiligungen in 25 Ländern erworben. In Deutschland plant der Konzern den Bau eines Riesenspeichers und langfristig ein eigenes Vertriebsnetz. Mit Wintershall und E.on Ruhrgas ist Gazprom schon lange im Geschäft. Seit kurzem kauft der Konzern nach Insiderinformationen im Verborgenen Aktien von RWE auf. Die Käufe werden durch mehrere Quellen getätigt, um die Meldeschwelle von fünf Prozent nicht zu überschreiten.

Die Symbiose aus Staat und Wirtschaft, auch als „Russia Incorporated“ bezeichnet, soll Russland zu größerem Einfluss in der Welt verhelfen. Das Moskauer Institut für Nationale Strategie hat dazu die weitere Kontrolle der Energieleitungen in Russlands Nachbarländern und in Westeuropa angeregt.

Das von Altkanzler Schröder vermittelte Gazprom-G auf den Trikots der Kicker von Schalke 04 soll als gut 120 Millionen Euro teure Initiative in Deutschland für positive Begleitstimmung sorgen. Die naiven Schalker glauben, Putin wäre Schalke-Fan geworden, dabei sind sie offenbar nichts weiter als ein williger Handlanger für die wirtschaftsimperialen Kreml-Interessen. Da kann sich der Großschlächter und Aufsichtsratschef des Bundesligisten, Clemens Tönnies, im Spiegel noch so ahnungslos geben: „Gazprom hat nie auch nur um einen Posten in unserem Aufsichtsrat gebeten.“

Offenbar ist die Weisungsfähigkeit des neuen Sponsors aber so weitreichend, dass sich Schalke Ende März mitten in der Endphase der Meisterschaft zu einer einwöchigen Reise ins entfernte Sibirien bitten lies. Die Stimmung war grandios, der Gastgeber hatte für alles gesorgt. Die Russen wollten dem FC Schalke zeigen, wie gut die Partner zueinander passen, deshalb die Reise.

Nach der ersten Nacht in Moskau staunte Schalke, der ganze Flughafen voller Gazprom-Maschinen. Nach vier Stunden traf Schalke im sibirischen Jamburg ein. Dort hat Gazprom die Kirche gebaut, den Kindergarten, die Schule, auch die Brauerei gehört Gazprom. Später stieß der FC Schalke auf einen Geldautomaten der Gazprom-Bank, und eine Gazprom-Stewardess reichte Schatzmeister Schnusenberg himmelblaue Gazprom-Badelatschen. Er sagt: „Ich bin schwer beeindruckt vom ungeheuren Reichtum.“ Alle nickten staunend, als ihnen ein Gazprom-Mensch erklärte, dass das Erdgas in dem Loch da hinten ausreiche, um ganz Deutschland ein Jahr lang zu erwärmen. Das Bohrloch ist jetzt Schalke-Sponsor.

„Ich bin schwer beeindruckt vom ungeheuren Reichtum“

Schwer beeindruckt vom ungeheuren Reichtum hat die Reise offenbar ihre Wirkung nicht verfehlt. Trainer Mirko Slomka schaute hinaus auf die Moskauer Leuchtreklamen und sagt, dass »wir die Meisterschaft schaffen können, aus eigener Kraft«. Lange heftete sich sein Blick an die ihm unbekannte Stadt. Dann sagte er, dass er nicht einsehe, warum in Deutschland so viele Windräder ständen. Der Gedanke sei ja gut, der Ökogedanke, aber man bleibe aufs Erdgas angewiesen. Wie kommt man in Zukunft besser an die Gasreserven ran? Das sei eine entscheidende Frage. Außerdem sagt er, dass Gazprom keinen Einfluss nehme auf ihn und die Mannschaft.

Da sind wir offensichtlich beim eigentlichen Thema angekommen. Wie soll die Energieversorgung in einem freien Land wie Deutschland weiter gesichert werden? Es geht auch darum, wie sehr sich der Fußball seinen Geldgebern ausliefern darf. Auch sollten die Fußballfans wissen, dass in Russland andere Verhältnisse vorherrschen als der Gazprom-Deal vermuten lässt. „Mindestens 30% der Bürger Russlands leben unter der Armutsgrenze. Diese wird mit einem pro-Kopf-Einkommen von 70 Euro pro Monat gleichgesetzt. Die übrigen denken auch die meisten täglich angespannt darüber nach, wie sie im laufenden Monat über die Runden kommen könnten“, schreibt Barbara Kerneck in ihrem Buch „Russlands Sicht auf NATO und EU“.

Gazprom verhandelt auch über einen Einstieg bei RWE. Der staatliche russische Gazprom-Konzern führt offenbar weiter intensive Verhandlungen mit dem Essener Energiekonzern. Gazprom könnte sich direkt an RWE beteiligen. Möglicherweise könnte der staatlich kontrollierte russische Gasmonopolist den westdeutschen Kommunen RWE-Anteile abkaufen. Gut 30 Prozent der RWE-Aktien gehören Kommunen. Deren Kämmerer spielen demnach angesichts des RWE-Aktienkurses von gut 70 Euro mit dem Gedanken, ihre mit nur neun Euro in den Büchern stehenden Papiere zu Geld zu machen.

Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) hatte bereits in der Vergangenheit erklärt die RWE-Aktien seiner Stadt an den russischen Energiekonzern Gazprom verkaufen zu wollen. Er gehe davon aus, dass Gazprom den Wunsch habe, sich an RWE zu beteiligen, sagte Erwin. Düsseldorf, zu rund einem Prozent an RWE beteiligt, könnte mit dem Vorstoß als Vorreiter für andere kommunale Anteilseigner dienen. Insgesamt halten Städte und Gemeinden im Ruhrgebiet 31 Prozent an RWE, viele von ihnen leiden unter finanziellen Engpässen. Düsseldorf wäre nach dem Verkauf mit einem geschätzten Erlös von rund 430 Mio. Euro wieder schuldenfrei, müsste dafür künftig allerdings auf eine jährliche Dividende im zweistelligen Millionenbereich verzichten.

Bislang steht Düsseldorf unter den Großstädten noch allein da. Essen und Dortmund, die jeweils mehr als drei Prozent an RWE halten, schlossen einen Verkauf ausdrücklich aus. „Wir haben keine eigene Stromerzeugung“, sagte der Sprecher der Stadt Essen. „RWE ist unser imaginäres Kraftwerk.“ Auch ihre Mitspracherechte im Aufsichtsrat wollen die Städte nicht aufgeben. Kleinere Kommunen signalisieren dagegen seit Längerem ihre Bereitschaft, sich von RWE- Aktien zu trennen.

„Gazprom hat nie auch nur um einen Posten in unserem Aufsichtsrat gebeten“

Vor dem Hintergrund abgestellter Pipelines in der Ukraine, Weißrussland und Georgien stellen sich berechtigte Fragen nach der russischen Zuverlässigkeit. Also beruhigte Vorstandschef Miller vor den EU- Botschaftern: Das Gas für Europa sei sicher. Und dann drohte er: Wenn Europa seinen Gasmarkt nicht für Gazprom-Firmenbeteiligungen öffne, gebe es auch alternative Abnehmer für russisches Gas. Millers Drohung klingt dramatisch – und sie weist auf eine kritische Entwicklung im russisch- europäischen Verhältnis hin: Dank politischer Rückendeckung tritt Gazprom neuerdings selbstsicher und aggressiv auf. Heute kontrolliert Gazprom Elektrizitätswerke und sogar jenes Atomunternehmen, das im iranischen Buschehr einen umstrittenen Reaktor baut. 330.000 Angestellte, 153.000 Pipeline-Kilometer und vermutlich mehr als tausend Tochterfirmen gehören zum Gazprom-Imperium.

Präsident Putin hat den Staatsanteil am Gasriesen mittlerweile auf 51 Prozent erhöht. Gazprom bildet das Kernstück mehrerer staatskontrollierter Korporationen in Russland, um die herum freies Wirtschaften geduldet ist. Den Aufsichtsrat führt Dmitrij Medwedjew, Putins früherer Verwaltungschef und potenzieller Nachfolgekandidat. Der liberale Wirtschaftsminister German Gref stemmte sich vergeblich gegen die Staatspräsenz in der Wirtschaft. Sein Plan einer Entmonopolisierung des Gasmarktes kam gegen die Putinsche Oligarchenrunde, die mit Hilfe der Energieressourcen eine neue Großmacht errichten will, nicht an. An Moskaus Gerüchtebörse wird Putin sogar als nächster Gazprom-Chef nach dem Ende seiner Präsidentschaft gehandelt.

Damit schließt sich der Kreis. Putin kann dann weiter Präsident bleiben, direkt auf Schalke. Der umtriebige Aufsichtsratsvorsitzende und Fleischgroßschlächter Tönnies wird ihm das sicher gerne antragen, einfach so, als Schalke-Fan. Das wird dann ein herrliches Quartett: Gazpromberater Schröder mit Gazpromchef Putin, der Großschlächter Tonnies und sein Präsidentenplatzhalter Schnusenberg. Sollte die „Unternehmensgruppe Schalke“ sich dann noch weiter mit Fußball beschäftigen, sehnt sich vielleicht mancher nach dem großkotzigen Fußball-Manager Assauer zurück. Aber das ist dann eine andere Geschichte.