Nachfolger stehen schon bereit

BERLIN taz | „Der IWF bleibt voll funktionsfähig“ – mit diesem dürren Statement reagierte der Internationale Währungsfonds (IWF) auf die Nachricht der Verhaftung seines Direktors Strauss-Kahn. Dessen Geschäfte dürfte nun wohl bis auf Weiteres der langjährige erste Vizedirektor, der ehemalige US-Investmentbanker John Lipsky, übernehmen.

Im IWF-Hauptquartier in Washington war man vielleicht nicht ganz so überrascht von den Nachrichten. Vor zweieinhalb Jahren hat es dort schon einmal eine Untersuchung wegen sexueller Umtriebe des Direktors gegeben, wegen einer Affäre mit einer IWF-Volkswirtin. Die sagte später, sie habe sich genötigt gefühlt. Bei der Untersuchung ging es allerdings lediglich um die Frage, ob die Frau im Gegenzug für ihren Weggang eine überhöhte Abfindung erhalten habe. Strauss-Kahn durfte bleiben – anders als zuvor sein Weltbank-Kollege Paul Wolfowitz. Der hatte nach einer Affäre und dem damit zusammenhängenden Vorwurf der Günstlingswirtschaft seinen Posten als Weltbankchef räumen müssen.

Cleveres Agieren

Strauss-Kahn aber war zum damaligen Zeitpunkt einfach unabkömmlich. 2008 war schließlich der Höhepunkt der Finanzkrise. Und endlich stand der IWF dank des cleveren Agierens seines Chefs mal wieder im Mittelpunkt des Krisenmanagements. Seit der Asienkrise zehn Jahre davor, bei deren Bekämpfung der Fonds komplett versagt hatte, hatte der IWF händeringend nach einer neuen Rolle gesucht. Unter Strauss-Kahn schien er sie gefunden zu haben.

Der überraschte die Finanz- wie auch die Entwicklungspolitiker damit, dass er die alten Dogmen über Bord warf, insbesondere den ungeliebten „Washington Consensus“. Damit waren die radikal-neoliberalen Reformen gemeint, die der Fonds bis dahin allen Schuldnerländern im Gegenzug für Hilfszahlungen aufgezwungen hatte. Statt immer weiterer Deregulierung redete der IWF unter Strauss-Kahn auf einmal einer Regulierung der Finanzmärkte das Wort – bei der der Fonds selbstredend eine wichtige Rolle spielen müsste.

„Das Pendel wird ein wenig vom Markt zum Staat schwingen“, sagte er im April. Zuletzt konnte er sich sogar vorstellen, den freien Kapitalmarkt einzuschränken und unter bestimmten Umständen Kapitalverkehrskontrollen zuzulassen. Schade nur, dass es mit der Umsetzung der neuen Politik bisher noch nicht weit her ist: In der Eurokrise trägt der IWF immer noch die altbekannte Politik des Gürtel-enger-Schnallens mit.

Der wahrscheinliche Abgang des Chefs ist für den IWF dennoch kein großes Problem. Man war ohnehin wegen seiner erwarteten Präsidentschaftskandidatur in Frankreich darauf vorbereitet. Diverse mögliche Nachfolger stehen schon in den Startlöchern, darunter die französische Finanzministerin Christine Lagarde. Auch die hatte in der Finanzkrise schließlich eine gute Figur gemacht. NICOLA LIEBERT