OFF-KINO

Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Wie in all seinen Filmen kämpft Jacques Tati auch in „Mon oncle“ (1958) einmal mehr gegen die Seelenlosigkeit einer scheinbar perfekt organisierten Moderne. Hier trifft er als M. Hulot auf die Familie seiner Schwester, die sich ein hypermodern eingerichtetes Haus zugelegt hat – das jedoch einer sinnvollen Funktionalität weitgehend entkleidet ist: Bereits der Wunsch, dem Küchenschrank ein Wasserglas zu entnehmen, führt zu einem absurden Kampf mit dem Möbelstück. Der Entwurf der Villa mit den beiden „Augen“ im Obergeschoss gilt mittlerweile als Klassiker des Filmarchitekten Jacques Lagrange, der nach eigener Aussage ein „architektonisches Potpourri“ aus Ideen der Zeit verarbeitete. Dabei ging es Tati und Lagrange nicht um eine Denunziation der Moderne, sondern eher um eine Warnung: Lustig und menschlich wird es eben vor allem im Chaos, das M. Hulot so hervorragend zu verbreiten versteht. „Mon oncle“ läuft im Rahmen einer Retrospektive der Filme des französischen Schauspielers, Regisseurs und Clowns Pierre Étaix, der seinerzeit bei Tati als Gagschreiber und Assistent arbeitete, ehe er sich selbstständig machte und in der Rolle des Clowns „Yoyo“ bekannt wurde (Mon oncle, OmU, 30. 9.; Yoyo, der Millionär, Om engl. U, 26. 9., Brotfabrik).

Einen schönen Blick auf eine im besten Sinn alternative Neo-Folk-Szene bietet die Dokumentation „Hard Soil – The Muddy Roots of American Music“ des aus Frankfurt stammenden Filmemachers M. A. Littler, den bereits seit seinem Regiedebüt „Voodoo Rhythm – The Gospel of Primitive Rock ’n’ Roll“ aus dem Jahr 2005 die Frage nach der Schnittstelle von Roots-Musik wie Folk, Blues, Country, Gospel, Rockabilly und Punk umtreibt. Für die von Littler bei und rund um die Muddy-Roots-Festivals in Memphis und in Belgien porträtierten Musiker scheint die Antwort klar: Es geht um den persönlichen Ausdruck, gepaart mit einer DIY-Attitüde und um den quasi-familiären Zusammenhalt ihrer Gemeinschaft (25. 9., 27. 9.–1.10., Lichtblick).

Billy Wilders vorletzter Film „Fedora“ (1978), ein Abgesang auf das alte Hollywood, ist heute – vielleicht auch nicht ganz zu Unrecht – fast vergessen. Interessanter als der Film selbst ist die Dokumentation „Swan Song“, in der der deutsche Filmjournalist Robert Fischer die Geschichte von „Fedora“ rekapituliert, indem er einige der damals an der Produktion beteiligten Personen davon erzählen lässt, darunter die Schauspieler Michael York und Marthe Keller, den Produzenten Harold Nebenzal sowie Kameramann Gerry Fisher. Ein interessanter, teilweise recht witziger Einblick in die Arbeitsweise Wilders, ein Rückblick auf eine Zeit, die auch 1978 bereits abgelaufen war (Fedora, 26. 9.; Swan Song, 26. 9., Zeughauskino).