Denkwürdige Niederlage für die konservativen Ideologen

SPANIEN Regierung knickt ein. Ein Abbruch der Schwangerschaft bleibt wie bisher straffrei

MADRID taz | Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy steht vor dem „größten politischen Fiasko der Legislatur“, titelt die wichtigste spanische Tageszeitung El País am Mittwoch. Der Konservative musste eines seiner Renommierprojekte fallen lassen: das weitgehende Verbot der Abtreibung. Justizminister Alberto Ruiz Gallardón, der das Gesetz, das selbst bei schweren Fehlbildungen die Frauen zur Austragung des Fötus zwingen wollte, vorgelegt hat, nahm seinen Hut und zog sich nach 32 Jahren aus der Politik zurück. Gallardón war stets als Nachfolger Rajoys an der Spitze der Konservativen gehandelt worden.

„Ich war nicht in der Lage, den Auftrag, den ich bekommen hatte, umzusetzen“, sagte er. Damit bleibt die Fristenregelung aus dem Jahr 2010 weiter in Kraft. Nur eine kleine Veränderung wird vorgenommen. Frauen zwischen 16 und 18 Jahren brauchen künftig wieder die elterliche Einwilligung für einen Abbruch. In Spanien gibt es pro Jahr rund 110.000 Abtreibungen.

Die Frage der Abtreibung war eines der Themen, mit denen die konservative Partido Popular (PP) in der Opposition ihren rechten Rand bei Laune hielt. Immer wieder unterstützte sie Demonstrationen gegen die Indikationsregelung. Seit 2010 ist ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten 14 Wochen auch ohne Begründung möglich.

Rund drei Viertel der Bevölkerung sind laut Umfragen für ein Recht auf Abtreibung, selbst bei den konservativen Wählern sind es über die Hälfte. Rajoy wägte ab und kam wohl zum Schluss, dass rechts weniger Stimmen auf dem Spiel stehen als in der politischen Mitte.

„Gallardón hat eine Diskussion ausgelöst, die es nicht gab. Er versuchte die Frauen zu kriminalisieren“, zeigte sich die Sprecherin der „Plattform – Entscheiden zu können, macht uns frei“, Isabel Serrano, zufrieden über die Rücknahme des Gesetzes. Das Bündnis aus über 300 Organisationen, Parteien und Gewerkschaften hatte gegen die konservative Reform mobilgemacht.

Bei den Abtreibungsgegnern ist von „Verrat“ die Rede. „Der Regierungschef gesteht ein, dass er nicht in der Lage ist, einen gesellschaftlichen Wandel einzuleiten“, erklärt die Organisation „Recht auf Leben“. Die PP werde dafür bei den Wahlen im nächsten Jahr bezahlen. REINER WANDLER

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