Die „NBPschniki“ trotzen dem Kreml

Die russischen Nationalbolschewiken sind per Gerichtsbeschluss nicht nur als Partei, sondern jetzt auch noch als Organisation verboten. Doch die vorwiegend jungen Symphatisanten wollen sich dem autoritären Putin-Regime weiter widersetzen

AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH

Ein Moskauer Stadtgericht hat die überregionale Organisation der Nationalbolschewiken als extremistisch eingestuft und als Organisation verboten. Vor zwei Jahren war der Nationalbolschewistischen Partei (NBP) die Registrierung vom Justizministerium verweigert und die Teilnahme an Wahlen untersagt worden. Eduard Limonow, Gründer der NBP und Kultschriftsteller, bezeichnete das neue Urteil als „politisch motiviert und ungerecht“.

Bei ihrer Gründung 1994 gehörte die NBP dem rechtsextremen Spektrum an. In den letzten Jahren gab sich die Organisation einen moderateren Anstrich. Daher verständigte sich das lockere Oppositionsbündnis das Andere Russland (AR) darauf, mit den Nationalbolschewiken zu kooperieren. Letztes Wochenende wurden Aktivisten des AR bei Demonstrationen in Moskau und Petersburg brutal misshandelt.

Die „NBPschniki“ lassen sich nicht abschrecken. Sie verstehen sich als Vorhut der Revolution, sind straff organisiert, diszipliniert, hochmotiviert und opferbereit. Wo die jungen Leute aus den Reihen der Nationalbolschewisten auftauchen, wird aus der inszenierten Politik im grauen Russland Putins ein frechschillernder Event. Vor zwei Jahren seilten sich zwei Aktivisten mit einem Spruchband vom Dach des Hotels Rossija ab: „Putin, geh von allein“ rieten sie dem Präsidenten. „Nationalbolschewiken erobern Russland (Rossija)“ amüsierte sich die gaseta.

Lange wurden die Nationalbolschewiken verteufelt. Inzwischen begegnet die versprengte liberalere Öffentlichkeit den jungen Leuten mit einer gewissen Sympathie. Sie wagen etwas und widersetzen sich der vom Kreml diktierten Friedhofsstille.

Der Staat kennt kein Pardon mit den Provokateuren. Als 2004 39 Aktivisten die Empfangsräume der Präsidialverwaltung stürmten und den Rücktritt Putins, ein Ende des Tschetschenienkrieges und die Beibehaltung der Gouverneurswahlen verlangten, forderte der Staatsanwalt acht Jahre Haft. Dieses Strafmaß weckte auch bei jenen Solidarität, die Ziele und Methoden der Gruppe nicht teilen.

„Wir wollen einen demokratischen, starken und gerechten Staat“, der seinen sozialen Verpflichtungen nachkommt“, sagt Pawel Scherebin, der Pressemann und Chemiestudent. Da der Staat alles kontrolliere, sei es unmöglich, durch Wahlen Einfluss zu nehmen.

Pressefreiheit, Menschenrechte, freie Wahlen und Nationalisierung der Rohstoffe hat sich die NBP auf die Fahne geschrieben. Zur Entwicklung einer Bürgergesellschaft nach westlichem Vorbild, gäbe es auch in Russland keine Alternative. Zum moderaten politischen Diskurs Scherebins stehen Parteiname und Emblem in krassem Widerspruch. Das Banner zeigt Hammer und Sichel in weißem Kreis vor blutrotem Hintergrund – eine Mischung aus kommunistischer und nationalsozialistischer Symbolik. „Partei der Gerechtigkeit wäre heute treffender“, meint Limonow.

Der ehemalige Untergrundliterat, der zu Sowjetzeiten in den Westen emigrierte und dort Kontakte zur linken Szene und Neuen Rechten knüpfte, gründete die Partei 1994 als Auffangbecken für all jene, die mit den demokratischen Reformen unzufrieden waren. Der Dichter agitierte damals mit einem rotbraunen Ideologiegemisch, das kollektives Eigentum und ein eurasisches Großreich von Wladiwostok bis Gibraltar anvisierte. In den 90er Jahren ließ der Kreml unter Jelzin den durchgeknallten Bürgerschreck indes gewähren.

Dem Radikalismus habe man endgültig entsagt, beschwichtigt Limonow. Seit sich die Partei 2004 ein moderateres Programm gab, ist das Konzept aufgegangen, sich für oppositionelle liberale und kommunistische Organisationen zu öffnen. Als der Geheimdienst den „Bunker“, den NBP-Treffpunkt, schließen ließ, wich man in das Büro der Kommunistischen Partei aus.

Abel sieht die Revolution schon heraufziehen: „Die kreativsten Köpfe kommen zu uns, und die meinen es ernst.“ Etwa 15.000 bis 25.000 Mitglieder soll die Bewegung zählen. Sie sind 20 bis 30 Jahre alt, mehrheitlich Studenten und Hochschulabsolventen aus der unteren Mittelschicht.

Die Aktivisten fühlen sich durch das harte Vorgehen der Behörden als oppositionelles Gravitationszentrum bestätigt. Angeblich soll die Kreml-Jugendorganisation Naschi – die Unsrigen – als Gegenkraft zu den Nazboly gegründet worden sein.

Haben Parteiväter faschistoiden Plänen abgeschworen? Die Vermengung sozialdemokratischer und faschistischer Inhalte fällt in Russland auf fruchtbaren Boden. Die Jungen wirken aber weder verbohrt noch fanatisch. Wie Vera, die Kinderpsychologin, wollen sie etwas gegen den „ausufernden Autoritarismus“ tun. Veras Augen leuchten, wenn sie vom „Bunker“ erzählt, „wo das Leben nur so brodelte“. Für sie ist das Engagement eine Mischung aus Politik und Spaß. Den versteht der Kreml nicht.